NFL Playoffs:Goodbye New Orleans

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Amerikas Lieblinge, die New Orleans Saints, sind draußen. Zum ersten Mal stehen zwei schwarze Trainer im Super-Bowl-Finale. Aus den USA berichtet Christoph Leischwitz

Die Getränkedusche für Lovie Smith kam früh. Der Trainer der Chicago Bears hatte noch nicht damit gerechnet, immerhin waren noch über zwei Minuten zu spielen. Zuerst war er überrascht, doch dann lachte Smith, als ihm die Eiswürfel den Rücken hinunterrollten , und das bei minus zwei Grad und Schneefall im Soldier Field Stadion zu Chicago.

Smith hatte gerade die Chicago Bears, ein stolzes, traditionsreiches Footballteam, zur ersten National Football Conference-Titel seit 21 Jahren geführt, was ganz nebenbei zur Teilnahme an der Super Bowl (am 4. Februar in Miami) berechtigt. Nur bis zum dritten Viertel war die Partie gegen die New Orleans Saints spannend, schon früh im letzten Spielabschnitt hielten die Zuschauer Schilder auch wie jenes, auf dem "Miami: 1397 Meilen" zu lesen war.

Der Einzug in die Super Bowl, dem großen Finale der National Football League, ist für jeden Footballspieler etwas Besonderes. Und in Chicago ist die Freude besonders groß, denn 20 Jahre konnte das Team keinen Titel gewinnen, obwohl es von allen Mannschaften der NFL die meisten Spieler in die Hall of Fame geschickt hat.

Doch Trainer Lovie Smith schreibt zusätzlich Geschichte. Vielleicht dachte er im Moment des Sieges an seine Kindheit. Smith ist Texaner, in den Südstaaten aufgewachsen, und er war acht Jahre alt, als 1967 die erste Super Bowl ausgespielt wurde. Im gleichen Jahr starben in den USA noch mehrere Dutzend Menschen bei Rassenunruhen, Muhammed Ali verweigerte damals den Wehrdienst. American Football wurde schon bald von schwarzen Spielern dominiert. Doch es vergingen 41 Jahre, ehe mit Lovie Smith auch ein schwarzer Trainer eine Mannschaft zur Super Bowl führen konnte (kurioserweise sollte vier Stunden später mit Tony Dungy von den Indianapolis Colts der zweite folgen).

Dabei hatten viele Experten einen Sieg der Saints vorausgesagt, oder diesen Sieg vielleicht auch nur erhofft, denn die Saints spielten in dieser Saison erfrischend offensiv. Dank den Ballträgern Reggie Bush und Deuce McAllister sowie mehreren guten Passempfängern galt die Saints-Offensive als unberechenbar. Vor einem Jahr waren die Saints noch die zweitschlechteste Mannschaft der gesamten Liga, dieses Mal wurde das Team um den neuen Trainer Sean Payton zur Überraschung der Saison.

Außerdem machte sich ganz Chicago Sorgen um seinen Quarterback Rex Grossman. Der 26-Jährige tritt heuer erstmals in den Playoffs an, dabei bewies er schon in der Punkterunde oftmals keine Nervenstärke, er warf viele Fehlpässe. Das war auch gegen die Saints nicht anders. Besonders wenig Übersicht bewies Grossman kurz vor der Halbzeit, als er schon in die Kabine laufen wollte, während die Mitspieler noch auf seine Anweisungen für den nächsten Spielzug warteten.

Doch die Abwehr der Chicago Bears erledigte den Job fast alleine. Sie setzten Saints-Quarterback Drew Brees immer wieder unter Druck, der beste Angriff der Saison kam nicht ins Rollen, Schneefall und tiefer Boden kamen den Bears zusätzlich zupass. Insgesamt verloren die Saints viermal den Ball, dreimal in der ersten Halbzeit, sodass Chicago gerade mal 152 Yards zurücklegen musste, um mit einem Touch Down (erzielt durch Thomas Jones) und drei Field Goals mit 16:0 in Führung zu gehen.

Erst spät im zweiten Viertel starteten die Saints ihre Aufholjagd. Innerhalb von 70 Sekunden legten sie 73 Yards zurück und schafften es noch vor der Halbzeit, mit einem Touch Down von Marques Colsten, den Rückstand in Grenzen zu halten. Gleich nach der Pause folgte ein 88-Yard-Lauf des Liganeulings Reggie Bush in die Endzone, nachdem ihm Brees mit einem kurzen Pass auf die Reise geschickt hatte.

Die Saints lagen immer noch 14:16 zurück, spielten nun aber überlegen. Dann machte Brees jedoch einen entscheidenden Fehler: Aus der eigenen Endzone heraus warf er den Ball auf den Boden, weil er keinen freien Spieler finden konnte. Die Schiedsrichter werteten dies als "intentional grounding" und damit als Safety, was automatisch zwei Punkte für den Gegner bedeutet. Noch schlimmer als die Gegenpunkte: Nach einem Safety bleibt der Ball im Besitz des Gegners. Bears-Spielmacher Grossman hatte danach seine Nerven im Griff und führte die Bears zu drei weiteren Touch Downs - und seinen Trainer zu einer frühen kalten Dusche.

In erspielten Yards gemessen hat Grossman das Duell gegen Brees klar verloren, doch das wird ihm in den nächsten Tagen egal sein. Für die Super Bowl-Partie gegen den AFC-Sieger Indianapolis Colts allerdings wird allein eine gute Abwehrleistung nicht reichen.

Peyton Manning hat es endlich geschafft. In seiner Karriere hat der Quarterback der Indianapolis Colts 37600 Yards geworfen und für 275 Touch Downs gesorgt. Doch eine Teilnahme an der Super Bowl war dem 30-Jähigen bisher immer verwehrt geblieben. In der Punkterunde war er stets Mr. Zuverlässig, und genauso zuverlässig versagten jenem Mann, der im Jahr 14 Millionen Dollar verdient, in den Playoffs regelmäßig die Nerven.

Diesmal nicht. Manning warf in diesem Spiel für 349 Yards und gewann damit ausgerechnet gegen den Erzfeind, die New England Patriots. Nach einem Spiel, das als eines der spannendsten in die Playoff-Geschichte der NFL eingehen wird, gewannen die Colts am Ende mit 38:34. Der Sieger dieses Finalspiels der als stärker eingeschätzten American Football Conference (AFC) ist automatisch Favorit im Spiel um die Super Bowl gegen die Chicago Bears, dem Sieger der National Football Conference (NFC).

In den Tagen vor dem Spiel hatte Sportamerika nur noch ein Duell gekannt, und es wurde dementsprechend episch analysiert: Peyton Manning gegen Tom Brady, den dreifachen Super Bowl-Gewinner und Quarterback der Patriots. Manning galt schon immer als ebenbürtig mit Brady. Hätte Manning auch diesmal verloren, in seinem neunten Jahr als Quarterback der Colts, er wäre wohl als der beste Loser aller Zeiten verbucht worden.

Und lange spielte er auch so. In den ersten beiden Vierteln glänzte er am meisten in den Spielunterbrechungen. Denn Manning ist einer der beliebtesten Footballspieler überhaupt, deshalb erscheint er auch in vielen Werbespots, in denen er sympathisch und souverän daherkommt. Auf dem Feld hingegen war von ihm nicht viel zu sehen. Am spektakulärsten war im zweiten Viertel sein Fehlwurf in die Arme des bis dahin überragend spielenden Cornerback Asante Samuel der New England Patriots. Samuel lief mit dem Ball in die Endzone der Colts und erhöhte zu diesem Zeitpunkt auf 21:3. Die Zuschauer im ausverkaufen RCA Dome begannen zu buhen.

Es dauerte lange, ehe Manning das Vertrauen des Publikums zurückgewinnen konnte. Erst mit dem Touch Down zum 13:21 im dritten Viertel kam wieder Stimmung auf. Manning erledigte den letzten Yard selbst, kaum sichtbar verschwand er unter einem Pulk von einem Dutzend Spielern und tauchte in die Endzone. Und als es dann nur gut drei Minuten bis zum nächsten Touch Down dauerte, wurden in dem überdachten Stadion wieder die Dezibelzahlen vom Spielbeginn erreicht.

Es entwickelte sich eine Partie, die von den beiden Angriffsreihen dominiert wurde. Mehrmals entschieden wenige Zentimeter und Video-Analysen der Schiedsrichter darüber, wer im Ballbesitz war oder blieb. Die Kicker beider Teams wurden immer wichtiger, besonders wurde auf die Leistung von Colts-Kicker Adam Vinatieri geachtet. Zum einen gilt er als besonders zuverlässig, vor allem aber ist er ein ehemaliger Patriot-Spieler, der für sein altes Team viele entscheidende Field Goals verwandelt hatte. Vinatieri verwandelte diesmal drei.

Die Uhr zeigte noch genau eine Minute an, als die Colts durch einen Touch Down von Joseph Addai erstmals in Führung gingen. Unter den Zuschauern befand sich auch Mannings jüngerer Bruder Eli, eigentlich Quarterback der New York Giants und damit eigentlich ein professioneller Feind . Diesmal aber jubelte Eli für seinen Bruder.

Doch eine ganze Minute, das reicht Tom Brady normalerweise, um noch einmal den Ball über das gesamte Feld hinweg zu treiben und Gegner in Verzweiflung zu stürzen. Peyton Manning, auf der Bank sitzend, betrachtete in der Schlussminute nur noch seinen zwischenzeitlich verletzten Daumen. Doch dann tat Tom Brady etwas, was so selten ist wie Coca Cola in der Wüste: 24 Sekunden vor dem Ende war er eine "Interception", Colts-Spieler Marlin Jackson blieb mit dem Ball in der Hand auf dem Boden liegen und genoss den ohrenbetäubenden Lärm, der sich nun ausbreitete.

Manning sagte später, Trainer Tony Dungy habe ihm und dem ganzen Team in der Halbzeitansprache viel Zuversicht gegeben. Es war der größte Rückstand, der jemals in einem Playoff-Spiel aufgeholt wurde. Peyton Manning wurde erst in jenem Moment zum Sieger, als niemand mehr damit gerechnet hatte. Allerdings: Ein erfolgreiches Spiel zum großen Erfolg fehlt natürlich noch.

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