Neue Ermittlungen um Franz Beckenbauer:Geld nach Gibraltar

Lesezeit: 4 min

Franz Beckenbauer hat seine Fußabdrücke an unzähligen Orten der Erde hinterlassen (hier im Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro) - manchmal auch dort, wo er nicht hätte sein sollen. (Foto: Helmut Reuter/dpa)

Ein weiterer Vorgang rund um Franz Beckenbauer beschäftigt die Schweizer Ermittler. Diesmal geht es um 1,7 Millionen Euro: Beraterhonorare im Kontext der WM 2010 in Südafrika.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Es gab einmal eine gute alte Zeit, in der Franz Beckenbauer sicherlich sehr gerne in die Schweiz fuhr. In diesen Tagen sieht das womöglich anders aus. Deutschlands jahrzehntelanger Fußball-Kaiser spielt für die Ermittler der Berner Bundesanwaltschaft eine zentrale Rolle bei der Aufklärung des Sumpfes rund um den Weltverband Fifa. Seit geraumer Zeit läuft gegen ihn ein Verfahren, im Herbst 2016 kam es zu einer Hausdurchsuchung - und nach SZ-Informationen stehen demnächst auch Befragungen Beckenbauers an. Die könnten lange dauern. Denn mittlerweile gibt es offenkundig mindestens drei Komplexe, für die sich die Schweizer Ermittler interessieren.

Nach SZ-Informationen landete das Honorar auf einem Konto der Firma Romnex

Im neuesten Fall geht es um seltsame Überweisungen im Kontext der Fußball-WM 2010 in Südafrika. Am Montag berichtete darüber die Bild unter Berufung auf Ermittlungsakten; mit der Causa vertraute Personen bestätigten die Vorgänge der SZ. Der neue Sachverhalt soll vor allem auf Aussagen des langjährigen Fifa-Finanzchefs Markus Kattner beruhen, der im Frühjahr 2016 (da bereits im Range des Generalsekretärs) geschasst worden war.

Beckenbauer sowie seine langjährigen Vertrauten Fedor Radmann und Andreas Abold sollen demnach insgesamt 1,7 Millionen Euro erhalten haben; Grund: Beratungsleistungen für die WM-Bewerbung Südafrikas. Das Land am Kap war bei der WM-Vergabe 2006 knapp an Deutschland gescheitert. Warum - das ist bis heute ebenfalls Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Nachforschungen. Vier Jahre später, 2004, sicherte sich Südafrika den WM- Zuschlag für 2010. Auch rund um den damaligen 14:10-Sieg über Marokko laufen internationale Korruptionsermittlungen.

Die Transaktion für Beckenbauer und Mitstreiter sei, so heißt es, nicht aus Südafrika erfolgt. Der dortige Verband Safa habe damals über finanzielle Schwierigkeiten geklagt, sich 2005 an die Fifa gewandt und um Unterstützung gebeten. Zu diesem Zwecke seien Dokumente über unbezahlte Außenstände vorgelegt worden. Auch Rechnungen, die nicht mit der WM-Organisation zusammenhingen, sondern noch aus der Bewerbungsphase stammten, seien darunter gewesen. Solche Aufwendungen hätte die Fifa nicht bezahlen dürfen. Dennoch seien auf Anweisung des damaligen Fifa-Generalsekretärs Urs Linsi von einem Konto des Weltverbands die Zahlungen an das deutsche Trio gelaufen.

Dabei sei Beckenbauers Anteil auf das Konto einer Firma in Gibraltar überwiesen worden, die angeblich mit der Südafrika-Beratung betraut gewesen sein soll. Nach SZ-Informationen soll es sich dabei um eine Firma namens Romnex handeln.

Alle Beteiligten äußerten sich auf Anfrage nicht zu diesem Thema. Zu vernehmen ist, dass von den Berner Behörden ein Sprechverbot verhängt worden sei. Beckenbauer hatte in früheren Stellungnahmen Fehlverhalten bestritten und beteuert, mit den Ermittlern zu kooperieren.

Der Vorgang wirft eine Fülle pikanter Fragen auf. Die WM-Vergabe an Südafrika fiel in eine Zeit, in der Beckenbauer zugleich als angeblich ehrenamtlicher Chef des Organisationskomitees (OK) für die WM 2006 tätig war. Das eine Turnier organisieren, beim anderen parallel beratend tätig sein: Funktioniert das? Beckenbauers Management antwortet nicht auf die Frage, ob auf deutscher Seite damals jemand über den Beraterjob informiert wurde.

Es fallen auch Parallelen zu klassischen Geldbewegungsmustern der Fifa unter ihrem langjährigen Boss Sepp Blatter ins Auge. In dessen Ära wurden fragwürdige Zahlungen gern als Entwicklungshilfe deklariert - oder als Beratungsleistung. Um Südafrikas WM-Turnier ranken sich ohnehin bizarre Geldflüsse: 2015 förderten Ermittlungen des FBI zutage, dass der karibische Skandalfunktionär Jack Warner Geld von Südafrika erhielt - jedoch nicht direkt vom Kap, sondern: via Fifa. Zehn Millionen Dollar flossen aus Zürich auf ein von Warner kontrolliertes Konto in der Karibik, formal als Beitrag für die dortige afrikanische Diaspora. Das FBI vermutet Schmiergeld für Voten pro Südafrika, das Warner mit zwei Funktionärskomplizen aufteilte.

Der Fall Beckenbauers, der erst 2007 Mitglied des Fifa-Vorstandes (und Wahlgremiums für die WM-Vergaben) wurde, stellt sich anders dar. Die für die Südafrika-Beratung honorierten Beckenbauer, Radmann und Abold unterhielten auch in der Schweiz gemeinsame Firmen. Während Beckenbauer im Dezember 2010 als Wahlmann an der bis heute skandalumtosten und nicht aufgeklärten WM-Entscheidung für 2018 (Russland) und 2022 (Katar) mitwirkte, waren seine langjährigen Kompagnons Radmann und Abold für den Kandidaten Australien aktiv, der jedoch mit nur einer Stimme früh ausschied. Später gab es heftige Klagen über die teure Schlussrechnung, die das deutsche Beraterduo Australiens Werbern präsentiert habe: ein ordentlicher Millionenbetrag.

Die Schweizer ermitteln wegen des Verdachts auf Betrug und Geldwäsche

Ins Bild eines diskreten Geschäftsnetzes scheint auch die nun in der Steueroase Gibraltar aufgetauchte Romnex zu passen. Spuren von einer Firma Romnex in Gibraltar führen nach Österreich. Dort ist Franz Beckenbauer seit vielen Jahren wohnhaft.

Der nun bekannte Vorgang um die Südafrika-Beratung und das Gibraltar-Konto ist im Rahmen der Schweizer Ermittlungen bereits der dritte Komplex, der Beckenbauer tangiert. Im Herbst 2016 erklärte die Bundesanwaltschaft, dass sie gegen Beckenbauer sowie andere damalige OK-Mitglieder - Wolfgang Niersbach, Horst R. Schmidt und Theo Zwanziger - unter anderem wegen des Verdachts auf Betrug, Geldwäsche und untreue Geschäftsbesorgung ermittle. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen die Vorgänge um die Überweisung von 6,7 Millionen Euro im April 2005, die vom DFB an die Fifa ging. Eine Publikation des Spiegel über diesen Vorgang hatte im Herbst 2015 die WM-Affäre ausgelöst. Die Überweisung war deklariert als Beitrag zu einer Eröffnungsgala, die nie stattfand. Tatsächlich diente sie der Rückzahlung eines drei Jahre zuvor gewährten Darlehens des früheren Adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus, das nach Katar floss und dessen Verwendungszweck bis heute unklar ist.

Als Drittes beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft mit einem Vorgang, der Beckenbauers Zeit als Mitglied der Fifa-Exekutive betrifft. Von 2008 bis 2011 sollen insgesamt 5,4 Millionen Franken von der Fifa geflossen sein, deklariert als Löhne und Zulagen. Bei den Transaktionen soll Radmann zwischengeschaltet gewesen sein. Er habe dann Teilbeträge auf ein österreichisches Konto von Beckenbauer weitergeleitet.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: