Nationalmannschaft:Warum nur, Andy, warum?

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Valencias Torwart Timo Hildebrand versteht den Stil nicht, in dem er vom Ende der Länderspielkarriere erfuhr.

Ronald Reng

Nirgendwo klingt Stille so schrecklich wie am Telefon. Andreas Köpke, der Torwarttrainer der deutschen Fußball-Nationalelf, hatte am vergangenen Freitag gegen neun Timo Hildebrand angerufen, um ihm zu sagen, dass er nicht für die Europameisterschaft nominiert werde. Köpke bekam keine vollständigen Antworten vom Torwart des FC Valencia. Zwischen einzelnen Worten, die sich nicht mehr recht zu Sätzen fügten, schrie nur die Stille Köpke an. Nach gut einer Minute legte Hildebrand einfach auf.

Timo Hildebrand versteht den Stil nicht, in dem er von seinem Karriere-Ende erfuhr. (Foto: Foto: Getty)

Rund eine halbe Stunde später hämmerte ein einzelnes Wort in Hildebrands Kopf. Er war auf dem Weg zum Training in Valencia, wo er vor Schock nicht würde trainieren können, er rief Köpke aus dem Auto nochmals an und warf ihm dieses eine Wort entgegen: Warum? Warum nur, Andy?

Die Radikalität verwundert

Wenige Tage nach der härtesten Entscheidung dieser EM-Nominierung will Hildebrand öffentlich weiterhin nicht darüber sprechen, doch die wahre Antwort auf das Warum ahnt mittlerweile auch er: Es lag nicht an seiner Form, es lag nicht an dieser Saison oder jenem Fehler. Sondern die Trainer der Nationalelf sehen in ihm grundsätzlich nicht mehr den Torwart, der in nahe Zukunft Deutschlands Nummer eins sein könnte. Deshalb sind sie mit Robert Enke von Hannover 96 und René Adler aus Leverkusen als Ersatztorhüter für Jens Lehmann an diesem Montag ins EM-Trainingslager nach Mallorca aufgebrochen.

Köpkes Urteil, Enke und Adler vor Hildebrand zu sehen, wird von der überwältigenden Mehrheit der Torwartszene geteilt. Was jedoch auch etliche Kollegen aus der Nationalelf getroffen hat, ist die abrupte Radikalität, mit der Hildebrand verabschiedet wurde. Über vier Jahre wurde er kontinuierlich berufen, bis zuletzt ließen ihn die Trainer im Glauben, die Nummer zwei im Tor hinter Lehmann zu sein, und dann wurde er auf einen Schlag abserviert.

Dabei sahen Köpke und Bundestrainer Joachim Löw Hildebrand schon lange nicht mehr klar vor Enke. So beschlossen sie, im Februar gegen Österreich Hildebrand als Ersatzmann einzuladen, aber im März gegen die Schweiz Enke. Hildebrand sollte nur eventuell als dritter Mann dazustoßen. Ihm gesagt haben sie das aber nie.

"Da weißt du mehr als ich"

Er fiel drei Wochen vor dem Schweiz-Spiel aus allen Wolken, als er darauf vom Journalisten angesprochen wurde: "Da weißt du mehr als ich!" Dann kündigte Löw an, er werde zum Spiel in der Schweiz tatsächlich Lehmann, Enke und Hildebrand einladen, um mit ihnen ihre Situation zu erörtern, da in den Medien längst der Schlachtruf erklang, Adler müsse mit. Dieses Torwartgespräch in Basel hat es aber nie gegeben. Wohl erfuhr Enke von Köpke nebenbei, alles sei möglich, er, Hildebrand oder Adler könnte bei der EM außen vor bleiben. Hildebrand hörte offenbar gar nichts.

Er ist sich im Klaren, dass dies das Ende seiner Nationalelfkarriere ist, die - nach vier Jahren geduldigen Wartens auf der Ersatzbank - nach Lehmanns vermutetem Abtritt im Sommer erst richtig anfangen sollte. Aber er versteht es immer noch nicht. Das Wochenende verbrachte er damit, zu telefonieren. Es herrschte keine Stille mehr in der Leitung, sondern das Summen der Verzweiflung. Einige Nationalelfkollegen riefen an; nicht, um Partei für ihn zu ergreifen, sondern um ihr Mitgefühl auszusprechen. Miroslav Klose meldete sich, oder Thomas Hitzlsperger. Und Robert Enke.

© SZ vom 20.05.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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