Nationalmannschaft:Jürgen, der Fünfte

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30. Juni 1996: Jürgen Klinsmann nimmt als Spielführer der deutschen Fußball- Nationalelf im Wembley-Stadion den EM-Pokal in Empfang. (Foto: Oliver Multhaup/dpa)

Einst milde verspottet, jetzt in einer Reihe mit Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus: Jürgen Klinsmann wird Ehrenkapitän.

Erst "Diver", dann "Flipper" - jetzt "Ehrenspielführer": Jürgen Klinsmann hat eine wirklich bemerkenswerte Karriere hingelegt, seit diesem Donnerstag nun wird der einst wegen seiner technischen Unzulänglichkeiten milde verspottete Stürmer in einer Reihe mit Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus geführt. Klinsmann, 52, Weltmeister 1990 in Italien und Europameister 1996 in England, wurde beim Festakt des Deutschen Fußball-Bundes am Donnerstag in Erfurt zum fünften Ehrenkapitän der Nationalmannschaft ernannt.

Für die Laudatio hatte sich gar Bundeskanzlerin Angela Merkel angesagt - was in gewisser Weise naheliegend war, hatte Klinsmann sich nach dem Aus der DFB-Auswahl in der Gruppenphase bei der EM 2004 in Portugal doch einer Aufgabe von quasi nationaler Bedeutung angenommen: Binnen kürzester Zeit krempelte er viele Strukturen um und formte eine Mannschaft, mit der sich Deutschland bei der Heim-WM 2006 sehen lassen konnte. Mit mutigem Fußball stürmte seine Auswahl damals bis ins Halbfinale. Nach dem 0:2 gegen Italien erreichte sie durch ein 3:1 gegen Portugal den dritten Platz - ein zuvor von vielen nicht erwarteter Erfolg.

"Die Welt zu Gast bei Freunden": Das war der offizielle Slogan der Veranstaltung damals. Geblieben aber sind auch die Begriffe "Sommermärchen" und "Schland". Klinsmanns Kicker versetzten die ganze Nation damals in gute Laune, plötzlich war es cool und schick, sich die Nationalfarben auf die Wangen zu malen. Zum Abschluss versammelten sich mehr als 150 000 Menschen auf einer Fanfeier vor dem Brandenburger Tor, um "Danke" zu sagen. Doch auch der große Zuspruch konnte Klinsmann nicht zum Bleiben bewegen. Er beendete sein "Projekt" und übergab sein Amt an Joachim Löw, der unter ihm als Taktiker im Hintergrund gewirkt hatte.

"Die Nationalmannschaft war für mich immer ein großes Ausgleichsbecken."

"Ich bin ein Reisender": Das hat Jürgen Klinsmann einst über sich selbst gesagt. Der Torjäger startete seine Karriere bei den Stuttgarter Kickers (1981 bis 1984), wechselt dann zum Stadtrivalen VfB (1984 bis 1989). Anschließend folgte der große Karrieresprung, der ihn zu Inter Mailand in die italienische Serie A führte (1989 bis 1992). Danach spielte Klinsmann noch für den AS Monaco, Tottenham Hotspur, Bayern München und Sampdoria Genua. Der einstige Bäcker-Geselle aus Stuttgart-Botnang ist also viel herumgekommen.

Die Nationalmannschaft spielte für Klinsmann in all der Zeit eine wichtige Rolle. "Sie war für mich ein großes Ausgleichsbecken. Sie war immer der Gegenpol zum Verein, egal wie es lief", beschreibt Klinsmann das besondere Verhältnis.

Seit fünf Jahren leitet Klinsmann nun schon das Nationalteam seiner Wahl-Heimat USA an. Auch mit ihm hat er sich ein Ziel gesetzt, das seinem ehrgeizigen Naturell entspricht: Bei der Weltmeisterschaft in zwei Jahren in Russland will er mindestens das Halbfinale erreichen.

© SZ vom 04.11.2016 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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