Nascar:Jetzt auch mit Japanern

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Weg von der Amerika-Seligkeit, auf in neue Märkte: Das ur-amerikanische Spektakel Nascar wandelt sich radikal.

Schummeleien, ein Massencrash und ein Fotofinish, über das auch nach Tagen noch diskutiert wird - dem amerikanischen Motorsport ist endlich einmal wieder eine große Show geglückt. 17,5 Millionen Menschen sahen in der Nacht zum Montag den Auftakt der Nascar-Saison, das "Great American Race" über 500 Meilen in Daytona. In der letzten Runde sahen sie, wie sich ein Auto überschlug, Feuer fing, sich fünf weitere Wagen dahinter zu einem qualmenden Knäuel zusammenfanden und die beiden Chevrolet-Piloten Kevin Harvick und Mark Martin Motorhaube an Motorhaube über die Ziellinie rasten, nur durch die Winzigkeit einer Zehntelsekunde voneinander getrennt.

Der Kolumbianer Juan Pablo Montoya, der in den vergangenen sechs Jahren in der Formel 1 angetreten war, kam als Neunzehnter an der karierten Flagge vorbei. Ein enttäuschendes Resultat. Für die Serie bleibt der 31-Jährige aus Bogotá trotzdem ein wichtiger Mann: Er symbolisiert den Wandel, den das Spektakel in diesem Jahr versucht. Nascar steht für National Association for Stock Car Autoracing - mit einer starken Betonung auf National. Die Wurzeln der Wettfahrten mit äußerlich recht ähnlichen Rennwagen reichen bis in die zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, der Zeit der Alkoholprohibition. Um der Polizei zu entkommen, frisierten die Schmuggler ihre Autos unter dem unauffälligen Blechkleid mächtig auf. Das erste Rennen mit solch aufgemotzten Serienwagen fand im März 1936 am Strand von Daytona statt. Fünfter wurde der Tankstellenbesitzer William H.G. France. 1947 gründete er die Nascar-Serie, die sich in den folgenden Jahrzehnten als das amerikanische Sportspektakel schlechthin etablierte. Amerikanische Draufgänger, amerikanische Autos, dazu Burger und Budweiser - vor allem auf dem Land kam das an, und weil das Land groß ist, wurde die Nascar-Anhängerschaft auch für die Politik interessant.

Im Präsidentschaftswahlkampf 2004 wurde der Begriff Nascar dad geprägt - als Synonym für überwiegend weiße Männer mittleren Alters der Arbeiter- und unteren Mittelklasse. Sowohl von den Demokraten wie auch von den Republikanern wurden sie heftig umworben. Präsident George W. Bush zeigte sich gerne mit Nascar-Fahrern. Die Nationalhymne und Kampfflieger-Einlagen sind bei den Rennen feste Programmpunkte, und gerne hätte der Machthaber seinem Volk für den von ihm ausgerufenen Krieg gegen den Terror im Irak noch mehr des nationalen Selbstbewusstseins geimpft, das die Nascar-Größen mehr als alle anderen Sportler verströmen. Baseball, Basketball, Football und Eishockey - während sich alle großen Sportarten Spielern und Einflüssen aus anderen Ländern geöffnet hatten, war die Nascar-Serie lange ein All-American-Club geblieben.

Zum Teil ist sie das auch heute noch: Antreten dürfen ausschließlich Autos, die von US-Konzernen stammen oder in den USA gebaut werden. Dass in diesem Jahr erstmals Toyotas an den Start gehen, kommt somit einer Kulturrevolution gleich. Das Fachblatt motorsport aktuell schreibt vom "motorsportlichen Pearl Harbor". Flugs formierte sich Widerstand - unter dem Slogan Fans against racing Toyota, kurz "Fart", was ins Deutsche übersetzt "Furz" heißt.

Dem japanischen Konzern schlägt Abneigung entgegen, obwohl er sein Modell Camry, das als Grundlage für die Rennwagen dient, wirklich in den USA fertigt. Der Ford Fusion wird hingegen in Mexico gebaut, der Dodge Charger und der Chevrolet Monte Carlo in Kanada, was in der Szene zu der recht skurrilen Diskussion führte, worin wohl mehr "made in USA" stecke. Eine weitere merkwürdige Debatte hob an, als durchdrang, dass Toyota das Establishment angeblich mit einem Budget von jährlich 200 Millionen Dollar aufmischen wolle. "Das macht die Preise kaputt", jammerten einige Teambesitzer. Andere entgegneten: "Aber das war doch immer das Prinzip des Kapitalismus - Angebot und Nachfrage regeln alles."

Die einst so klar gezogen Grenzen wanken. Auch in den USA. Auch in der Nascar-Serie. Die Zuschauerzahlen haben in den vergangenen Jahren auf hohem Niveau stagniert. Früher wäre das vielleicht genug gewesen, in einem globalen Markt aber verschieben sich die Relationen. "Wir müssen auf den Herzschlag Amerikas hören", meint der siebenmalige Champion Richard Petty, der im Juli 70 Jahre alt wird: "Früher hat man gesagt: ,Wenn etwas nicht kaputt ist, repariere es nicht.' Jetzt sagt man: ,Wenn wir nichts verändern, gibt es kein Wachstum.' Das ist die Sicht einer neuen Generation, einer neuen Gesellschaft."

Weg von der Amerika-Seligkeit, auf in neue Märkte - das Engagement von Juan Pablo Montoya ist das beste Beispiel für die Neuausrichtung. 43 Millionen spanisch sprechende Einwanderer gibt es in den USA. Nicht einmal jeder Zehnte verfolgte bisher die Stock-Car-Rennen. Für Montoyas ersten Auftritt bei einem unbedeutenden Rennen gingen in kurzer Zeit prompt 5000 Tickets weg. "Wir haben jetzt die großartige Chance zu zeigen, dass wir nicht bloß ein Haufen tumber Südstaatler sind", sagt Routinier Jeff Burton. Der Sportkanal ESPN hat den Wandel in einen griffigen Satz verkürzt: "Nach dem Mittelalter beginnt für die Nascar-Serie jetzt die Renaissance."

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