Nagelsmanns Debüt :Frisch von der Uni

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Der jüngste Bundesliga-Trainer wählt beim 1:1 der TSG Hoffenheim gegen Bremen ein mutiges Offensivsystem.

Von Stefan Rommel, Bremen

Die Bremer Fans hatten nach dem Schlusspfiff ihr Urteil schnell gefällt. "Absteiger"-Rufe schleuderte die Ostkurve den Spielern der TSG Hoffenheim entgegen. Das 1:1 (1:1) gegen den unmittelbaren Tabellennachbarn war nicht die erhoffte Befreiung für die Kraichgauer. Es bleibt auch nach 21 Spieltagen bei zwei dürren Saisonsiegen, der Abstand zumindest auf den Relegationsrang beträgt weiter fünf Punkte, auf Rang 15 sind es sechs Zähler. Die Aussichten haben sich gemessen an den Zahlen kaum verbessert. Und trotzdem versprühten Hoffenheims Spieler, als sie den Spielertunnel erreichten hatten, nach deprimierenden Wochen wieder so etwas wie Zuversicht.

Julian Nagelsmann ist verantwortlich für diesen zaghaften Optimismus.

Unter der Woche war viel zu lesen und zu hören vom 28-Jährigen, der jetzt ja tatsächlich der jüngste Bundesligatrainer der Historie ist. Deshalb war die Partie des Sechzehnten gegen den Siebzehnten auch so etwas wie das heimliche Topspiel des Tages. Und Nagelsmann der Hauptdarsteller.

Nagelsmann wählt ein mutiges Spielsystem

"Ich habe mich zwar in erster Linie auf unsere Leistung und das Ergebnis konzentriert und weniger auf das Drumherum. Aber es war trotzdem ein tolles Erlebnis", sagte Nagelsmann. Weshalb diese Hoffenheimer Mannschaft wieder etwas mehr Perspektive hat, konnte man bereits beim Studium der Aufstellungen erahnen. Der neue Trainer wählte in der Abwehr eine Dreierkette, die entweder von einem oder beiden Außenbahnspielern zu einer Vierer- oder Fünferkette aufgefüllt wurde.

Vorzeigbares Debüt: Beim ersten Spiel des neuen Trainers Julian Nagelsmann holt Hoffenheim in Unterzahl gegen Bremen einen Punkt. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Das ist ein komplexes System, das eine saubere Abstimmung voraussetzt und nicht unbedingt für eine Operation am offenen Herzen gemacht zu sein scheint. Nagelsmann wollte die Stärken seiner Mannschaft stärken, das mutige Offensivspiel, das Spiel mit kurzen Kombinationen am Boden. Und er wollte seine Elf in bestimmten Räumen immer in Überzahl sehen. "Durch die beiden abkippenden Außenbahnspieler konnten wir die Breite des Spielfelds gut ausfüllen und die gegnerischen Außenverteidiger besser binden. Das hat uns geholfen gegen die vielen Diagonalbälle, die Werder gerne spielt", sagte er also.

In diesen Sequenzen seiner Ausführungen hörte er sich doch ein bisschen an wie einer, der frisch von der Uni kommt und alles loswerden will, was er eben noch gelernt hat. Dass das in vielen Bundesligaspielen alleine nicht reicht, erfuhr Nagelsmann gleich bei seiner Premiere.

Werder vergibt große Chancen

"Wir haben in einigen Momenten die Dinge gut gemacht. Aber eben nicht über die gesamten 90 Minuten", sagte er. Hoffenheim hatte jeweils zu Beginn beider Halbzeiten seine besten Phasen, kassierte nach dem Führungstreffer durch Andrej Kramaric (10.) aber keine drei Minuten später durch Papy Djilobodji den Ausgleich und konnte seine Überlegenheit in den Anfangsminuten nach Wiederbeginn nicht für ein zweites Tor nutzen. "Da haben wir in die Räume gespielt, in die wir kommen wollten und hatten viele Abschlussaktionen", so Nagelsmann.

Werder hatte einige Probleme mit dem unkonventionellen Spielsystem des Gegners, wie auch Trainer Skripnik später eingestehen musste. "Wir waren schon überrascht von der Taktik. Der gegnerische Trainer hat damit alles richtig gemacht, das war natürlich schlecht für uns", sagte Skripnik.

Ganz so schlecht lief es phasenweise aber gar nicht für seine Mannschaft, die Bremer hatten vor allen Dingen ab Mitte der zweiten Halbzeit genügend Chancen, die Partie zu ihren Gunsten zu entscheiden. Aber weder Djilobodji, der zuerst am Pfosten und dann per Nachschuss aus kurzer Distanz scheiterte, noch Anthony Ujah, der zweimal frei vor dem Tor rechts vorbeischoss, hatten das nötige Glück.

Hoffenheim vertraut auf die Offensive

Werder hat damit eine große Chance vertan, zumal die Mannschaft nach Kramaric' Gelb-Roter Karte (73.) und einer üppigen Nachspielzeit von fünf Minuten noch lange genug mit einem Spieler mehr anrennen durfte. Seit acht Spielen ist Werder in eigenen Stadion ohne Sieg, das gab es in der Klubgeschichte noch nie. "Wir holen daheim zu wenig Punkte, da braucht man gar nicht lange drumherum reden", sagte Sportchef Thomas Eichin. "Aber ich kann auch nicht sagen, woran das liegt."

So bleibt im Tabellenkeller zwar alles beim Alten. Der heimliche Gewinner des Unentschiedens ist aber die TSG, die mutiger auftrat als in den Wochen zuvor. Neben den drei Innenverteidigern in der Abwehrkette und Abräumer Tobias Strobl davor hatte Nagelsmann zwischenzeitlich sechs ausgebildete Offensivspieler auf dem Feld. "Wir müssen prinzipiell ein bisschen offensiver ausgelegt sein für die Spieler, die wir im Kader haben", sagte Torhüter Oliver Baumann - und es besteht die berechtigte Hoffnung, dass diese Erkenntnis auch bis zu seinem Trainer vordringt.

© SZ vom 14.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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