Nachruf:Adieu, Napoléon

Lesezeit: 2 min

Mit 85 Jahren ist der Franzose Raymond Kopa gestorben, einer der elektrisierendsten Fußballer des vergangenen Jahrhunderts. Mit Real Madrid gewann er dreimal den Europapokal.

Von Javier Cáceres

Es gab eine Zeit im Fußball, da lernte man Sturmreihen auswendig, und sie klangen wie Gedichte, wenn man sie rezitierte. Beziehungsweise: Sie klingen immer noch so.

Real Madrid, 1958: Kopa, Rial, Puskás, Di Stefano, Gento. "Das war der beste Sturm, in dem ich je gespielt habe", sagte einmal der 2014 verstorbene Di Stefano. Und er versagte sich den Superlativ wohl nur, weil er als Jungprofi im heimischen Argentinien La Máquina de River bestaunt hatte: Muñoz, Moreno, Pedernera, Labruna, Lousteau von River Plate Buenos Aires. Auch sie hatten so sagenhafte Tore fabriziert wie jenes von Real Madrid, an das Di Stefano gern dachte: Gento jagte über die linke Außenbahn und spielte den Ball ins Sturmzentrum, wo erst Puskás den Ball durch die Beine rollen ließ, dann auch Di Stefano - Kopa, der von rechts herangestürmt kam, vollendete direkt.

Raymond Kopaszewski, wie er mit vollem Namen hieß (er ließ sich Kopa nennen, weil das "französischer" klang), wurde 1931 in Nœux-les-Mines geboren, in der Champagne also, was prickelnder klingt, als seine Jugend war. Er war Sohn eines polnischen Bergarbeiters; er selbst verlor, als er einen Kohlewagen durch die Minen schob, ein Glied seines Zeigefingers. Das trieb ihn umso mehr, über Tage, ins Rampenlicht des Fußballs.

Er ging als Kind zur US Nœux-les-Mines, später zu SCO Angers und dann zu Stade Reims, einer der elegantesten Mannschaften der fünfziger Jahre. Reims stand 1956 im ersten Landesmeisterpokal-Finale überhaupt - und verlor gegen Real Madrid. Die Spanier hatten da längst ein Auge auf Kopa geworfen und mit ihm verhandelt. Er ging, für die damals galaktische Ablöse von 52 Millionen Francs (heute rund eine Million Euro).

Damals galt Kopa als "Napoléon des Fußballs", weil er "klein war und ein Eroberer von Gebieten", wie der Schriftsteller Eduardo Galeano schrieb. Klein (1,68 m) war er in der Tat, in Spanien nannten sie den wendigen, ästhetischen Dribbler nicht umsonst verniedlichend "Kopita".

1958 war das wohl beste Jahr seiner Karriere. Er spielte in Madrid mit Ferenc Puskás zusammen, seinem Idol, seit er 1953 in London den mythischen 5:3-Sieg der Ungarn gegen England gesehen hatte; die Reise war die Prämie von Stade Reims für einen Meistertitel. 1958 wurde Kopa mit Frankreich Dritter der Weltmeisterschaft in Schweden, im Spiel um Platz drei gegen Deutschland (6:3) erzielte er ein Tor. France Football wählte ihn zu Europas Fußballer des Jahres, vor dem Deutschen Helmut Rahn und Frankreichs Goalgetter Just Fontaine, der mit 13 Treffern WM-Torschützenkönig geworden war. Kopa sagte, ihm habe fast noch mehr geschmeichelt, dass Reals Präsident Santiago Bernabéu ihm bescheinigte, der beste Spieler der WM 1958 gewesen zu sein. Und das hieß: besser als Brasiliens Weltmeister Pelé, Garrincha, Vavá oder Didí.

1959 verließ Kopa Real, nach drei Siegen im Landesmeister-Pokal. Seine Frau fand sich in Madrid nicht zurecht, eine Sportartikelfirma lockte mit Geld. Er gewann mit Reims noch zwei Ligatitel und eckte als Vorkämpfer für Fußballer-Rechte derart an, dass er für die Nationalelf gesperrt wurde. 1963 das Drama: Sein Sohn Denis starb vierjährig an Krebs. Später versteigerte Kopa seine Souvenirs aus den glorreichen Tagen zugunsten einer Krebsinitiative, ihr spendete er auch das Honorar seiner 2006 erschienenen Autobiografie "Kopa par Kopa". Am Freitag verstarb er, nach langer Krankheit, wie es hieß, im Alter von 85 Jahren.

© SZ vom 04.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: