Nach Angriff auf Fandel:"Da bleibt ein gewisses Restrisiko"

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Helmut Spahn, Sicherheitsbeauftragter des DFB, über die Gefahren für Spieler und Schiedsrichter in deutschen Stadien, welche Strafe einen "Flitzer" erwartet und warum er keine Zäune will.

Interview: Thomas Hummel

Der Angriff eines Zuschauers auf Schiedsrichter Helmut Fandel beim EM-Qualifikationsspiel Dänemark gegen Schweden in Kopenhagen war für die als friedliebend bekannten dänischen Fußball-Fans ein Schock. Doch es war nicht das erste Mal, dass es ein Besucher auf den Rasen schaffte. Die so genannten Flitzer sind in Großbritannien seit langem bekannt, zuletzt wurde der Londoner Spieler Frank Lampard von einem gegnerischen Fans auf dem Spielfeld angegriffen. Helmut Spahn, Sicherheitsbeauftragter des Deutschen Fußball-Bundes, war für die Sicherheit in den Stadien bei der WM 2006 verantwortlich und spricht über die Gefahrenlage in Deutschland.

Manchmal amüsieren die Flitzer nur die Zuschauer, wie hier in Wimbledon. Manche Eindringlinge sind aber gefährlich. (Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Herr Spahn, ist ein Angriff wie auf Schiedsrichter Fandel in Dänemark an diesem Wochenende auch in deutschen Stadien denkbar?

Helmut Spahn: Bei internationalen Spielen sind ausschließlich Sitzplätze erlaubt, deshalb werden dort die Zäune zwischen Zuschauerrängen und Spielfeld zurückgebaut. Da bleibt ein gewisses Restrisiko. Aber insgesamt haben wir die Situation in Deutschland gut unter Kontrolle.

sueddeutsche.de: Nun wurde Fandel bedroht, Ende März ging in England ein Fan auf Chelsea-Spieler Frank Lampard los. Diese Leute hätten auch ein Messer in der Tasche haben können. Müssen die Zäune bald wieder aufgebaut werden?

Helmut Spahn: Ich hoffe nicht. Sollte es einen schlimmen Vorfall geben, dann wäre das ein irrationaler Einzeltäter. Wir hatten die Situation einmal im Tennis, als 1993 Monica Seles in Hamburg von einem Zuschauer mit einem Messer attackiert wurde. Man hat darauf reagiert, indem man die Bänke, auf denen die Tennisspieler während der Pause ausruhen, verstärkt mit Ordnungsdiensten sichert. Aber eine hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben.

sueddeutsche.de: Wie reagiert der DFB auf die Bedrohung?

Helmut Spahn: Wir hatten ja 2005 beim Konföderationen-Pokal mehrere so genannte "Flitzer", die es auf das Spielfeld geschafft haben. Das war uns eine Lehre. Bei der WM hatten wir dann eine andere Konzeption und wesentlich mehr Ordnungs- und Sicherheitspersonal im Innenraum der Stadien. Leider ist beim Spiel Kroatien gegen Brasilien in Berlin dennoch einer auf den Rasen gelaufen, das war ein Versagen des Sicherheitsdienstes, der ist vier, fünf Ordnern einfach durchgerutscht. Acht bis zehn weitere Leute, die auf das Feld laufen wollten, hat unser Personal aber rechtzeitig geschnappt.

sueddeutsche.de: Wie viele Ordner werden zum Beispiel am Mittwoch in Hamburg beim EM-Qualifikationsspiel gegen die Slowakei das Feld sichert?

Helmut Spahn: Ich weiß es nicht im Detail, aber es werden bis zu 80 Personen sein. Insgesamt sind etwa 500 Sicherheitsleute im Stadion.

sueddeutsche.de: Sind diese Zahlen exemplarisch?

Helmut Spahn: Was die Flitzer betrifft, haben wir unabhängig vom Spiel ähnliche Sicherheitslagen. Denn einen Verrückten kann es immer geben. Unterschiede gibt es lediglich durch die Architektur der Stadien. In Leipzig muss ein Flitzer von der Tribüne auf das Feld 2,50 Meter nach unten springen, in München dagegen nur 1,30 Meter. Je nach Stadion arbeiten wir noch mit einem zusätzlichen Absperrband.

sueddeutsche.de: So genannte Flitzer gibt es schon länger. Wie gefährlich sind diese Leute?

Helmut Spahn: In vielen Fällen haben sie einen kommerziellen Auftrag, sie laufen mit einer Werbebotschaft auf das Feld, weil das Fernsehen draufhält. Es gibt auch Beispiele, dass jemand eine Wette verloren hat oder seinen Freunden zeigen will, was er für ein toller Typ ist. Dazu gibt es zwei, drei berühmte Flitzer, die auch über Formel-1-Rennstrecken laufen.

sueddeutsche.de: Welche Sanktionen erwarten einen Flitzer?

Helmut Spahn: Im Gegensatz zum Beispiel zur Rechtsprechung in England ist das Betreten des Spielfelds in Deutschland kein Straftatbestand. Der Flitzer bekommt ein bundesweites Stadionverbot. Außerdem kann es sehr teuer werden. Sollte der dänische Verband von der Uefa eine Strafe bekommen, könnte der Mann, der auf Fandel losging, in Regress genommen werden. Wir hatten in Rostock so einen Fall, als Hansa Rostock seine Strafe von mehreren tausend Euro an den Flitzer weitergab. Das hat schon abschreckende Wirkung.

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