Münchens erster Meistertitel:Bärtige Pioniere

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Der EHC triumphiert im DEL-Finale gegen Wolfsburg. Für die Verantwortlichen des Klubs ist der Sieg der Beweis: Es braucht für Erfolg mehr als Red-Bull-Millionen.

Von Christian Bernhard, Wolfsburg

Christian Winkler ging es am Donnerstag gar nicht gut. Das berichtete einer, der es genau wissen sollte: Winkler selbst. Im Kopf des Managers des EHC München ratterte es wie wild; Bilder und Erinnerungen der vergangenen 13 Jahre schossen durch sein Hirn, so lange ist Winkler schon beim EHC tätig. Als er in München seine Arbeit aufnahm, war der Eishockey-Verein noch in der Oberliga. Seit Freitagabend kann sich der EHC erstmals in seiner Vereinsgeschichte deutscher Eishockey-Meister nennen, durch den 5:3-Auswärtserfolg bei den Grizzlys Wolfsburg gewannen die Münchner die Finalserie der Deutschen Eishockey Liga (DEL) mit 4:0.

Es hat lange gedauert, bis es solche Bilder von Münchner Eishockeyspielern gab: Torhüter David Leggio hatte am Freitagabend in Wolfsburg als Erster die Sieger-Zigarre im Mund und posierte vor dem Block mit den Münchner Fans für ein Selfie. Oder solche: Als die Meister-Mannschaft am Samstagmorgen an der Münchner Olympia-Eishalle ankam, war sie von der feucht-fröhlichen Rückfahrt im Bus gezeichnet und Steve Pinizzotto sang für die EHC-Fans die Humba. Wie lange es gedauert hat, und wie viel dieser Titel den Münchnern bedeutet, das fragte man am besten Christian Winkler. Der Manager, in bester Playoff-Manier vollbärtig, war am Freitag zufrieden in die Kabine gestapft. Der Weg, der hinter ihm und dem EHC München liegt? Winkler nannte ihn einen "fucking langen Weg".

2012 stand der Verein vor der Insolvenz - dann kam Red Bull

Stürmer Uli Maurer ist diesen Weg lange mitgegangen. "Als ich vor sechs Jahren in München unterschrieb, habe ich nicht unbedingt an die Meisterschaft gedacht", sagte er im Moment des Triumphes. 2012 stand der Verein kurz vor der Insolvenz, erst ein Last-Minute-Einstieg von Red Bull verhinderte dies. Ein Jahr später übernahm das österreichische Unternehmen den EHC komplett und steckte viel Geld in den Klub. Bis zum ersten Titelgewinn ist trotzdem einiges an Zeit vergangen. In den vergangenen Jahren habe man gesehen, "dass nicht nur Geld Meisterschaften gewinnt", erklärte Maurer, "es gehört mehr dazu." In dieser Saison habe der EHC "die perfekte Mischung gehabt", Maurer nannte die Erfolgsmannschaft liebevoll einen "super Haufen". Zwölf Siege und nur zwei Niederlagen in den Playoffs, "München war die beste Mannschaft und ist definitiv verdient Meister geworden", betonte DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke.

Dabei ist nicht die komplette EHC-Saison reibungslos verlaufen. Im Dezember waren die Münchner noch Tabellen-Achter, Sieg und Niederlage hatten sich bis dahin regelmäßig abgewechselt. Es war die Zeit, als in Teilen der Fankreise an der Arbeit von Rekord-Trainer Don Jackson gezweifelt wurde. "Das ganze Jahr war ein großer Kampf", sagte Jackson, der nun sechs DEL-Titel sein Eigen nennen kann. "Wir haben eine Weile gebraucht, um uns zu finden", erklärte Frank Mauer, der sich nach seinem Wechsel aus Mannheim zum zweiten Mal in Serie den Titel holte. Winkler sagte, die Auf und Abs in den ersten Saison-Monaten hätten der Mannschaft gut getan und den mannschaftlichen Findungsprozess unterstützt. Dieser war Ende Dezember vollzogen, ab da drückte der EHC der Liga seinen Stempel auf.

Gesundheits-Glück beim EHC

Dass im Team viel Qualität steckte, war bereits zu Saisonbeginn zu sehen gewesen. Daniel Sparre etwa, in den Jahren zuvor einer der besten Münchner Torschützen und Teil des Parade-Angriffs, agierte in dieser Saison meistens in der vierten Linie. "Die Tiefe im Kader ist der Unterschied zu den Jahren zuvor", erklärte Mauer. Dazu kam Gesundheits-Glück. Während in der Vorsaison zum Playoffstart neun Münchner Stammspieler verletzt gewesen waren, fehlte diesmal nur Verteidiger Konrad Abeltshauser - und das auch erst im Finale. Richie Regehr, einer der besten DEL-Verteidiger der vergangenen Jahre, schaffte es gar nicht mehr in den Kader, obwohl er seine Beinverletzung zu Beginn der Playoffs auskuriert hatte. Jackson hatte seine Meister-Mannschaft bereits gefunden.

Deren Fundament war die Abwehrarbeit. Eine gute Defensive bringt eine gute Offensive mit sich, war eines der Hauptcredos von Jackson. Seine Mannschaft, angefangen von den Stürmern, setzte das sehr gut um, herausragend war ihr Unterzahlspiel. Die langjährige Erfahrung und die Führungsstärke von Spielern wie Wolf, Toni Söderholm, Jason Jaffray, Keith Aucoin oder Steve Pinizzotto tat ihr Übriges, alle Leistungsträger steigerten sich noch einmal in den Playoffs. "Wir waren die Mannschaft, die auf den Punkt die beste Form konserviert hat", sagte Mauer. "Die Jungs machen das, worüber wir als Team gesprochen haben", hatte Jackson schon vor dem letzten Finalspiel erklärt. Das letzte Spiel am Freitag in Wolfsburg war noch einmal umkämpft, die Entscheidung fiel erst im Schlussdrittel. Doch die Serie war eindeutig in Münchner Hand gewesen.

Nicht nur der EHC hofft, dass dieser Meistertitel dem Eishockey in München einen Schub gibt, auch Tripcke und Verbandspräsident Franz Reindl hätten nichts gegen einen solide und nachhaltig agierenden Verein in der bayerischen Landeshauptstadt. Uli Maurer - der, der den langen Münchner Weg mitgegangen ist - findet, diese Meistermannschaft habe in diesem Sinne "ein bisschen Pionierarbeit" geleistet. "Ich glaube, dass der Eishockey-Sport in München noch seinen Platz sucht", sagte der Nationalspieler, der im Eishockey-verrückten Mannheim aufgewachsen ist. Maurer ist aber überzeugt davon, dass es in München "genug Platz" für das Eishockey gibt. Was es hier, in dieser durch den FC Bayern "leider Gottes sehr erfolgsverwöhnten" Stadt braucht, weiß Maurer: "Wenn Eishockey hier langfristig Erfolg haben will, müssen Meisterschaften her." Er sprach wohl bewusst in der Mehrzahl.

© SZ vom 24.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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