1860 München im Abstiegskampf:Gereizt?

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Körperspannung Note 1: Offensivspieler Rodri beim Training der Münchner Löwen (hinter ihm kugelt sich Annan). (Foto: Christina Pahnke/sampics)

Trainer Fröhling beklagt sich darüber, dass seine Spieler "nur auf die Fresse kriegen".

Von Philipp Schneider

Auch am Freitag wurde Fußball gespielt an der Grünwalder Straße, zwei Mannschaften trafen probeweise aufeinander, die eine mit Spielern in schönen blauen Trikots, die andere mit Spielern in weniger schönen knallgelben Leibchen. Die Partie Blau gegen Knallgelb entwickelte sich zu einer ziemlich torarmen, als deren markanteste Eigenschaft sich allerdings die Zahl der beteiligten Fußballer herausstellen sollte: Es spielten zehn gegen zehn. Und als sich bei näherer Betrachtung einer der zehn Knallgelben auch noch als Collin Benjamin erwies, der 36-jährige Assistent von Cheftrainer Torsten Fröhling, da war eine Nachfrage natürlich angeraten. "Der Schnellste ist Collin vielleicht nicht mehr", sagte Fröhling, "aber habt ihr seine Flanken gesehen? Schade, dass keiner da stand, wo er sie hingeschickt hat."

Natürlich ist es ein gutes Zeichen, dass überhaupt noch Späße gemacht werden im in der Regel sehr ernsten Fußballgeschäft beim TSV 1860 München. Zumal in diesen besonders trüben Tagen im Abstiegskampf der zweiten Liga, wenn Fröhling trotz einer angespannten personellen Lage ohne die verletzten Okotie, Volz, Claasen, Bedia und Mulic an diesem Samstag (13 Uhr) in Braunschweig eine Auswärtspartie bestreiten muss. In Anbetracht dessen, dass die Löwen am Sonntagabend dann sechs Spieltage vor Ende der Saison auf einem Abstiegsplatz stehen könnten, plauderte der verantwortliche Trainer zunächst sogar eine ganze Weile ziemlich vergnügt: Erst über die Vergangenheit ("Im Training war die ganze Woche Stimmung drin, da war Aggressivität drin"), dann über die Zukunft ("In Braunschweig müssen wir mutig den Ball laufen lassen, Dreiecke bilden, den Ball fordern, den Ball haben wollen") - ehe er zur Überraschung seiner Zuhörer plötzlich die Stimme erhob, um im Zorn etwas mitzuteilen. Fröhling rief: "Das ist aber auch das Ding, dass ich sage: In Sandhausen oder Aue würde jetzt die ganze Stadt den Vereinen helfen." Okay, und wie ist es bei 1860? "Die kriegen nur auf die Fresse. Und die sollen's nachher noch retten!". Die, das waren seine Spieler. Aber wer war bloß die ganze Stadt?

Damit meinte Fröhling, das präzisierte er anschließend, nicht etwa die wenigen Zuschauer in der Arena. Sondern die Dauernörgler in den Internetforen - und auch die Medien. Besonders ärgerlich sei, dass manche Zeitungen Schulnoten für Spieler vergeben (die eben nach schlechten Spielen manchmal schlecht ausfallen). Mit den Worten "Reicht das jetzt?" verabschiedete sich Fröhling nach der knackigen Ansprache in die Kabine - um kurz darauf wieder lächelnd zurückzukehren. Alles nur gespielt? Oder doch Indiz, dass die Späße seltener werden bei Sechzig?

Schon während der Woche hatte sich der Trainer ja einen durchaus erstaunlichen Gefühlsausbruch erlaubt. Als er die Faulheit mancher Spieler, herausgetretene Rasenbüschel nicht wieder umgehend ins selbstverursachte Loch auf dem Trainingsplatz zu treten, mit einem Ausruf der entsetzten Abneigung ("Das kotzt mich an!") kommentierte. Verfolgt Fröhling mit seinem verbalen Gepolter also eine kuriose psychologische Strategie zur Förderung des Zusammenhalts?

Oder ist er schlicht zunehmend gereizt? Verständlich wäre es, sind die guten Nachrichten bei Sechzig so selten geworden wie siegreiche Heimspiele. Dass sich Dominik Stahls Fuß am Freitag erholt hatte, nachdem er am Vortag von Guillermo Vallori so ungestüm wie unabsichtlich getreten worden war, das war noch eine der besten Meldungen vor der Abreise nach Braunschweig. Mit Stahls Einsatz rechnet offenbar auch Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht, der meint, es sei zu befürchten, dass "1860 München kratzen, beißen und kämpfen" werde, "um aus der Abstiegszone wieder herauszukommen". Zumindest das Kämpfen beherrscht bei den Münchnern keiner so gut wie Stahl. Das weiß sogar fast die ganze Stadt.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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