1860 München:Große Namen und kleine Summen

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Die Trainersuche bei Zweitligist 1860 München zieht sich hin - Investor Ismaik wünscht mal wieder eine prominente Lösung.

Von Markus Schäflein

Oliver Kreuzer läuft die Zeit davon, und dennoch hat er derzeit genügend davon. So lange der TSV 1860 München noch keinen neuen Trainer hat, was nicht in der Hand des Sportdirektors liegt, sondern von Investor Hasan Ismaik maßgeblich mitentschieden wird, kann Kreuzer den Kader für die kommende Zweitliga-Saison nur planen, aber nicht bauen. Also sah er sich unlängst das Länderspiel Albaniens gegen Katar (3:1) an und beobachtete dort den Linksverteidiger Naser Aliji vom FC Basel. Immerhin den Leihvertrag mit Levent Aycicek (Werder Bremen) hat er schon mal verlängert. Auch mit ein paar Torhütern, etwa den Zweitliga-Ersatzkeepern Lars Unnerstall (Düsseldorf) und Dirk Orlishausen (Karlsruhe), hat sich Kreuzer beschäftigt - weder auf Stefan Ortega noch auf Vitus Eicher als Nummer eins wollen sich die Löwen verlassen. Und nebenbei verfolgt der Sportchef den Transfermarkt und sieht, wie beispielsweise der frühere Sechziger Moritz Stoppelkamp aus Paderborn nach Karlsruhe wechselt. Spieler und deren Berater werden noch nicht einmal tiefergehende Gespräche mit Kreuzer führen, solange unklar ist, wer Trainer wird.

Präsidiumsmitglieder sollen künftig "1000 oder 1500 Euro im Monat" erhalten, sagt Cassalette

Die Sommerpause bei Sechzig ist bislang mal wieder von bizarrem Stillstand geprägt, wobei diesmal - im Gegensatz zum Gezerre um Sportchef Gerhard Poschner im vergangenen Sommer - keine öffentlichen Scharmützel ausgetragen werden, so dass die Verantwortlichen das große Nichts als neue Professionalität auslegen dürfen. Intern hat sich allerdings wenig geändert: Ismaik lehnt bislang offenkundig mal wieder die Vorschläge für einen adäquaten Übungsleiter, etwa den von Kreuzer vorgeschlagenen Franco Foda von Sturm Graz, ab und denkt an andere Kaliber. Sein Blick geht gerne nach England, da verwundert es wenig, dass gar ein Name wie Steve McClaren, 55, an der Grünwalder Straße herumgeistert. Der frühere englische Nationaltrainer, damals bekannt als "der Trottel mit dem Regenschirm", der 2010/11 ein unglückliches Deutschland- Engagement in Wolfsburg hatte, wurde zuletzt bei Newcastle United nach durchschlagendem Misserfolg entlassen und ist auf Jobsuche. Er war auch mal Assistent von Sven-Göran Eriksson, den Ismaik vor einigen Jahren nach Giesing holen wollte.

Womöglich darf der Jordanier diesmal, mit dem ihm gewogenen Präsidenten Peter Cassalette, seinen Traum von einem großen Namen verwirklichen. Hierzu müsste Ismaik das Budget, das sich nach derzeitigen Planungen im Mittelmaß der zweiten Liga bewegt, allerdings selbstredend drastisch erhöhen - dabei hatte er selbst von Geschäftsführer Markus Rejek, den er nach wie vor entlassen will, die Erstellung eines Sparkonzepts gefordert.

Cassalette geht davon aus, dass ihn der Verwaltungrat wie angekündigt wieder zur Wahl stellt - weil Ismaik die zum Lizenzerhalt nötigen 4,2 Millionen Euro überwiesen hat und damit der wichtigste Teil der Mission, die Sicherung des Über- lebens, erledigt ist. In der neuen Mitgliederzeitung schreibt er im Vorwort jedenfalls schon: "In der kurzen Zeit, seit der wir im Amt sind, haben wir einiges auf den Weg gebracht. Aber wir sind noch lange nicht dort, wo wir hin wollen. Deswegen wäre es schön, wenn Sie uns bei der Mitgliederversammlung am 19. Juni für weitere drei Jahre Ihr Vertrauen aussprechen würden." Wenngleich einige Verwaltungsratsmitglieder Cassalettes investorfreundliche Interpretation des Präsidentenjobs nicht gut finden, kommen sie angesichts der vereinspolitischen Stimmungslage offenbar nicht umhin, Cassalette erneut zu nominieren: So könnten sie ein Misstrauensvotum gegen sich selbst vermeiden.

Darüber hinaus sollen die Mitglieder laut Tagesordnung auch einen "Beschluss über die Vergütung von Mitgliedern des Präsidiums" fassen, gemäß Artikel 3.1 der Vereinssatzung, in der es heißt, die Vorstände dürften "eine angemessene Tätigkeitsvergütung für ihren Zeit- und Arbeitsaufwand erhalten. Über Gewährung und Höhe der Vergütung beschließt (...) die Mitgliederversammlung." Dass auf einer Mitgliederversammlung öffentlich gemacht wird, welche Vergütung welches Präsidiumsmitglied erhält, ist selbst für Sechzig eine wunderliche Vorstellung - so ist es allerdings allen Ernstes in der Satzung vorgesehen und so soll es laut Cassalette auch kommen. "So steht es drin und so müsste es auch sein. Wir reden von 1000 oder 1500 Euro im Monat, nicht von sechsstelligen Jahresgehältern", sagt der Präsident. "Das hatte einen ganz konkreten Anlass. Bei Heinz Schmidt ist die Arbeit so ausgeartet, dass er ein bis zwei Tage pro Woche nur mit Sechzig beschäftigt ist und einen Verdienstausfall hat."

Deutlicher könnte nicht werden, wie bizarr das Gebilde bei Sechzig ist: Die Vertreter des e.V. erhalten 1000 Euro im Monat und sollen dann dem jordanischen Investor Ismaik als Mitgesellschafter auf Augenhöhe gegenübertreten. Wobei eine Geldsumme je nach Perspektive viel zu niedrig oder immer noch zu hoch sein kann: Als der Antrag bekannt wurde, erhielt Cassalette umgehend unfreundliche E-Mails von Vereinsmitgliedern. Er habe doch gewusst, dass er ein Ehrenamt antrete, und nun wolle er sich an den Mitgliedsbeiträgen bereichern. "Ich stehe dem Antrag neutral gegenüber", betont er daher, "das motiviert mich jetzt nicht dazu, es zu machen oder nicht zu machen." Für einen neuen Trainer, zudem wenn es ein prominenter sein soll, ist Geld hingegen eine notwendige Motivationshilfe. Mit vierstelligen Beträgen wird es nicht getan sein.

© SZ vom 01.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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