1860 München:Balance gesucht

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Gegen den KSC steht die nächste Partie gegen einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf an - Trainer Vitor Pereira hält dennoch an seinem bislang erfolglosen Bauplan fest.

Von Markus Schäflein

Den Kader des TSV 1860 München für das Spiel gegen Karlsruhe wollte Trainer Vitor Pereira in der Pressekonferenz nicht bekannt geben; wie immer wurde das Aufgebot kurz, nachdem der Trainer verschwunden war, via Facebook veröffentlicht. "Ich will grundsätzlich nicht über individuelle Spieler reden", begründete Pereira die spezielle Vorgehensweise, "der Star ist die Mannschaft."

Da muss man ihm selbstverständlich zu perfektem Humor gratulieren, ist doch bei Sechzig genau das Gegenteil der Fall: Einige Individualisten, die zumindest für Zweitliga-Verhältnisse das Zeug zum Star hätten, stehen ja durchaus im Kader - während die Mannschaft als Funktionseinheit zuletzt in Bielefeld (1:2) und Lotte (0:2) höchstens Dschungelcamp-reife C-Prominenz war.

Weshalb Pereira nicht über die Spieler sprechen wollte, die er aus dem Aufgebot gestrichen hatte, wurde dann einige Minuten später klar. Der brasilianische 2,5-Millionen-Euro-Stürmer Ribamar, 19, wurde vom Deutschen Fußball-Bund nach seinem mit Rot geahndeten Aussetzer für drei DFB-Pokal-Spiele gesperrt, aber nicht für die Liga; und dennoch befand er sich nicht im Kader. Weshalb er einen der von Hasan Ismaik direkt beschafften Spieler gestrichen hatte, durfte Pereira dem jordanischen Investor am Freitagmittag selbst erklären; Ismaik erschien samt gewohnt stattlicher Entourage am Trainingsgelände und wird auch dem Spiel an diesem Samstag (13 Uhr) beiwohnen. "Wir gehen jetzt gleich zusammen zum Mittagessen", berichtete Pereira. "Er ist natürlich enttäuscht - aber das Ziel, für das er mich hierher geholt hat, ist, eine Mannschaft aufzubauen. Und das braucht Zeit."

Karlsruhes Sportchef Kreuzer wundert sich über den 1860-Geschäftsführer Power

Zeit hat von Ismaik bislang noch nie jemand erhalten. Dennoch wird Pereira dem Umbau treu bleiben und auch gegen den Karlsruher SC nicht auf bloßen Ergebnisfußball setzen - wenngleich eine weitere Niederlage gegen einen direkten Konkurrenten im Kampf um den Klassenverbleib wegweisend in die falsche Richtung wäre. Dann droht der Absturz in die Abstiegszone. Pereira hat zwar festgestellt, dass der KSC "sehr konterstark" ist, dennoch will er am 3-4-3-System festhalten. "Wir arbeiten seit einem Monat daran und müssen eine Struktur reinbringen", meinte der Trainer. "Ich bin noch auf der Suche nach einer taktischen Balance."

In der Abwehr-Dreierkette wird neben Abdoulaye Ba und Sebastian Boenisch wieder der junge Felix Uduokhai spielen, weil Jan Mauersberger sich in Lotte einen Muskelfaserriss zugezogen hat. Ansonsten wollte Pereira nicht mehr lange über Lotte sprechen. "Pokal ist eben in Deutschland sehr schwer", meinte er, "das war ein sehr spezielles Spiel: Wir haben auch gegen den Rasen gespielt."

Man könnte behaupten, dass Sechzig zudem den Ball als Gegner hatte. Was den Fortschritt anging, bezog sich Pereira daher lieber auf die zweite Hälfte in Bielefeld, die ihm offenbar gut gefiel, wenngleich sie aus gefühlt 80 Prozent Ballbesitz und null Torchancen bestand. Was dann in Lotte passierte, umschrieb Pereira so: "Wenn man eine Mannschaft entwickelt, macht man eben manchmal zwei Schritte zurück und muss wieder einen oder zwei nach vorne machen."

Den Schritt nach vorne im Spiel gegen Karlsruhe kann immerhin Stefan Mugosa nicht verhindern. Der von Sechzig an den KSC verliehene Mugosa, der in seinem ersten Spiel für seinen neuen Klub gleich einen Treffer erzielte, darf aufgrund einer Klausel im Leihvertrag im direkten Aufeinandertreffen nicht eingesetzt werden. An sich ist das nicht unüblich, die Vorgehensweise von 1860-Geschäftsführer Anthony Power war es offenbar schon. Ursprünglich waren 100 000 Euro fällig, sollte Mugosa gegen die Löwen eingesetzt werden. Dann meldete sich Power noch einmal telefonisch bei Oliver Kreuzer, dem früheren 1860-Sportchef, der nun beim KSC tätig ist - und setzte eine Million Euro fest. "Dass man noch mal nachverhandelt und diese unglaubliche Zahl hochschraubt, ist eigentlich Kindergarten", sagte Kreuzer. "Es war speziell, die Art und Weise war auch gewöhnungsbedürftig." Aber dass vieles speziell ist bei Sechzig, das wusste er ja noch.

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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