Motorsport:Die Formel 1 übt Kommunismus

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150 Millionen Dollar jährlich sollen reichen: Der Weltverband will jedem Rennstall künftig vorschreiben, wie viel er ausgeben darf.

René Hofmann

Die beiden Termine fallen zufällig auf den gleichen Tag: An diesem Donnerstag wird der zweimalige Weltmeister Fernando Alonso in Paris seinen neuen Dienstwagen präsentieren. Renault ist der letzte gewichtige Formel-1- Teilnehmer, der sein Auto für die Saison 2008 enthüllt. Und der R28 könnte auch das letzte Mobil sein, das mit dem gewohnten Saus und Braus entwickelt und gezeigt wird. Denn am Donnerstag kommen ebenfalls in Paris die Finanzchefs aller elf Grand-Prix-Teams zusammen. Auf Einladung des Automobilweltverbandes sollen sie über eine bahnbrechende Neuerung beraten und diese am besten auch gleich beschließen: Ab 2009 soll für alle Rennställe eine einheitliche Höchstgrenze gelten, wie viel sie ausgeben dürfen, eine so genannte ,,spending cap''. Im Prinzip wären dann alle gleich. Eine schöne Vorstellung: Der Kommunismus zieht ein bei den wahrscheinlich entschlossensten Kapitalisten überhaupt.

Wer hat die Power in der Formel 1? Wer hat das Sagen? (Foto: Foto: dpa)

Derzeit funktioniert die Formel 1 so: Wer gewinnen will und es sich leisten kann, lässt sich die Rennfahrerei einiges kosten. Honda gibt 470 Millionen Dollar jährlich aus, Toyota 400, McLaren 380, BMW 320 - schätzt das Fachblatt auto, motor und sport. Künftig sollen es vielleicht noch 150 Millionen Dollar per annum sein dürfen, die Fahrergehälter, Ausgaben für Marketing und Kosten für die Triebwerke nicht eingerechnet. Außerdem soll sich ein jeder das Budget mit Sponsoren-Einnahmen aufstocken dürfen. Kontrolliert werden könnte die Ausgaben-Disziplin mit den Unterlagen, welche die Firmen beim Finanzamt abgeben. Die genaue Summe und das weitere Prozedere sollen in dieser Woche besprochen werden. Auf einer ersten Sitzung Anfang Januar stimmte die Mehrheit der Teamchefs dem Plan im Prinzip zu - allerdings wohl vor allem deshalb, weil sich nur so noch schmerzhaftere Einschnitte vermeiden ließen.

Ursprünglich wollte der Automobilweltverband, der unter dem Kürzel FIA firmiert und die sportlichen Spielregeln des Spektakels aufstellt, künftig vorgeben, wie lange ein Team seine Autos in den Windkanal stellen darf und wie viele Stunden Strömungs-Spezialisten vor Hochleistungs-Rechnern sitzen dürfen. Wäre das so gekommen, hätten einige ihre jüngsten, sündteuren Errungenschaften gleich wieder abstoßen können. Red Bull leistet sich inzwischen drei Windkanäle, BMW hat in einen Hochgeschwindigkeits-Rechner investiert, der 21 Tonnen wiegt und pro Sekunde 12288000000000 Fließkomma-Operationen schafft. Kein Wunder, dass Mario Theissen, dem Motorsportchef des Hauses, die Idee nicht gefiel. ,,Das war nicht der richtige Ansatz'', sagte er der Zeitschrift motorsport aktuell. Mit der Ausgaben-Grenze kann Theissen leben. ,,Auf den ersten Blick'', sagt er, ,,sieht das attraktiv aus.'' Sparen ist immer gut, es lässt sich als vernünftig verkaufen.

Unter anderem aus diesem Grund dürfte Max Mosley den Plan auch ausgeheckt haben. Seit 1993 steht der Sohn des einstigen britischen Faschistenführers Oswald Mosley der FIA vor. Der 67-Jährige hat ein feines Gespür für gesellschaftliche Strömungen. In den ersten Jahren seiner Amtszeit trimmte Max Mosley die Formel 1 auf Sicherheit. Der Jurist hatte erkannt, dass die Formel 1 ihre Popularität nur behalten konnte, wenn das öffentliche Sterben aufhörte. Crashtests und Überlebenszellen wurden eingeführt. Mit Erfolg. Seit Ayrton Senna 1994 in Imola ist bei den Rennen kein Formel-1- Pilot mehr ums Leben gekommen.

Um die Jahrtausend-Wende begab sich Mosley auf seine nächste Mission: Leidenschaftlich zog er gegen die großen Automobilkonzerne zu Felde, die seine Macht bedrohten. Der damalige Mercedes-Chef Jürgen Hubbert träumte öffentlich davon, eine ,,Formel Gold'' zu etablieren - ohne Mosley. Nachdem der die Gefahr abgewendet hatte, söhnte er sich mit den Herstellern aus. Inzwischen sind Mosley und der ehemalige BMW-Entwicklungsvorstand Burkhard Göschel gute Freunde. Das gemeinsame Ziel der beiden: Die verschwendungssüchtige Serie soll ein Vorreiter für ökologisch sinnvolle Technik werden. Der Vorschlag des Ausgaben-Beschnitts passt zu diesem Trend zur Vernunft, allerdings sollte lieber niemand sein Geld darauf setzen, dass es auch wirklich so kommt.

Der Präsident hat viele Ideen, viele sterben aber auch schnell wieder. Vor nicht allzu langer Zeit plädierte Mosley noch für die Wiedereinführung von Turbo-Motoren als Impuls für die Serientechnik - inzwischen ist fest verabredet, dass sich an den Achtzylinder-Triebwerken der Formel 1 in den kommenden fünf Jahren gar nichts ändert. Auch einen zweigeteilten Heckflügel hat Mosley schon erfunden, der das Überholen erleichtern sollte. Bis auf ein paar Konstruktionszeichnungen hat davon aber bis heute niemand etwas gesehen. Der Kommunismus-Vorschlag zeigt: Auch im Rentenalter bleibt Mosley kreativ und immer für eine Überraschung gut. Sein tollster Plan: Als Michael Schumacher zwischen 2000 und 2005 Jahr für Jahr alle deklassierte, schlug Mosley vor, doch zu losen, welcher Pilot in welchem Auto antreten muss. Das blieb bis heute unerreicht.

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