Mitarbeiter des Tages:Jay Jay Okocha

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Jay Jay Okocha. (Foto: Ronald Wittek/dpa)

Eigentlich gilt er als einer der wunderbarsten Fußballer und fröhlichsten Menschen der Bundesliga-Historie. Umso erstaunlicher, dass Okocha nun aufgebracht schimpft - weil eine talentierte Generation eines afrikanischen Landes ihre Chance verschläft.

Von Philipp Schneider

Es gibt eine Geschichte über den Fußballer Jay Jay Okocha, die sich lohnt, immer wieder zu erzählen, selbst wenn ihr Wahrheitsgehalt nicht abschließend geklärt ist. Okocha war 17, als ihm seine Eltern eine Reise nach Deutschland schenkten. Dort angekommen heuerte Okocha, ein beliebter Spieler bei den Enugu Rangers, sofort an beim Oberligisten Borussia Neunkirchen. Das fiel ihm leicht, weil er irre Sachen mit dem Ball anstellen konnte, die keiner der Neunkirchner konnte. Eines Tages tauchte ein runder Mann mit Schnauzbart und von Zigarillos gegerbter Stimme in Neunkirchen auf, fragte: "Wie heißt du?" "Jay Jay", sagte Okocha. Aha, murmelte der Schnauzbart. "Und was machst du so, wenn du nicht Fußball spielst?" "Schlafen", sagte Okocha. Das gefiel dem runden Mann sehr. Fußball und Schlafen waren auch Konstanten in seinem Leben. Und so kam es, dass der Trainer Dragoslav Stepanovic einen der wunderbarsten Fußballer und fröhlichsten Menschen der Bundesliga-Historie für 25 000 DM nach Frankfurt lockte.

Jener fröhliche Okocha schimpfte nun also eher ungewöhnlich, als er den Auftritt seiner Nachfolger in der Nationalmannschaft erlebt hatte. Die Nigerianer hatten gegen Kroatien viel geschlafen, nicht aber Fußball gespielt. Oghenekaro Etebo hatte einen Eckball ins eigene Tor abgefälscht, William Ekong mit einem Klammerfoul an Mario Mandzukic einen Elfmeter verschuldet. "Der Trainer", schimpfte Okocha, "hat sich heute sein Geld nicht verdient."

Nun hatte der Trainer Gernot Rohr weder ein Eigentor geschossen, noch Mandzukic geklammert. Okochas Ärger war wohl grundsätzlich. Er betrauerte, dass die nächste talentierte Generation eines afrikanischen Landes drauf und dran war, eine große Chance bei einer Weltmeisterschaft zu vergeben. Marokko hatte zuvor 0:1 gegen den Iran verloren. Ägypten 0:1 gegen Uruguay. Okocha selbst war 1994, 1998 und 2002 mit Nigeria zur WM gefahren, 1996 wurde er mit den "Super Eagles" Olympiasieger - aber Weltmeister? Seit 1930, seit dem ersten großen Turnier in Uruguay, warten die afrikanischen Mannschaften mit denen Nordamerikas, Asiens und aus Australien auf den ersten Titel. Die Elfenbeinküste hatte Drogba, Kamerun Eto'o, Nigeria Okocha; Ägypten hat in diesem Jahr Mohamed Salah und Senegal Sadio Mané. Ein frühes Aus wäre ein Jammer.

Im Gegensatz zu den Nordamerikanern, Asiaten und Australiern können die Afrikaner nämlich irre Sachen mit dem Ball anstellen, die sie in Neunkirchen noch immer nicht beherrschen.

© SZ vom 18.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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