Mitarbeiter des Tages:Der Zettel

Roy Hodgson ist nicht der Erste, der das antike Medium zur Mitteilung von Wahrheiten benutzt. Zettel-Botschaften haben im Fußball Tradition.

Von Sebastian Fischer

Die Wahrheit liegt im Fußball bekanntlich auf dem Platz, aber manchmal steht sie auch auf Papier. Bei der WM 2006 zog der deutsche Torhüter Jens Lehmann im Elfmeterschießen gegen Argentinien vor jedem gegnerischen Schuss einen Zettel aus dem Stutzen, auf dem die Schussgewohnheiten der Argentinier vermerkt waren ("Ayala 2 lange warten, langer Anl. rechts") - Lehmann parierte zweimal. Den Trend zum Zettel hat freilich nicht er begründet, sondern der trendige Trainer Ewald Lienen, der am Seitenrand so viel zu notieren pflegt, dass er "Zettel-Ewald" genannt wird. Zettel-Pep klingt nach Lästerei, dabei nutzte selbst der so moderne Spanier das im Digital-Zeitalter so antike Medium in seiner letzten Saison beim FC Bayern. Guardiola zog beim Spiel gegen Ingolstadt ein mit taktischen Anweisungen beschriftetes Exemplar aus dem Ärmel, das seine Spieler auf dem Platz herumreichten. Ähnlich hatte es davor schon der Gladbacher Trainer Schubert (Zettel-André) gemacht.

Englands Trainer Zettel-Roy Hodgson hatte sich vor der EM noch einen Spaß daraus gemacht, beim Training ein winziges Stück Papier in Richtung Kamera zu halten, auf dem nichts zu erkennen war - zuvor war sein Assistent nämlich mit einem großen Papier fotografiert worden, auf dem eine Aufstellung zu erkennen gewesen war. Nun, nach dem peinlichen Aus gegen Island, hat Hodgson sein Rücktrittsgesuch von einem vorbereiteten Zettel vorgelesen. Unter anderem stand dort etwas von einer "fantastischen Reise" der englischen Mannschaft geschrieben. Die Wahrheit lag allerdings auf dem Platz in Nizza.

© SZ vom 29.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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