Military:Auf Angriff geritten

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Nach zwölf Jahren ohne olympischen Erfolg kehrt die deutsche Military-Mannschaft querfeldein auf einen Medaillenkurs zurück - die Pechsträne scheint überwunden.

Von Gabriele Pochhammer

Die deutschen Vielseitigkeitsreiter sind in Athen auf doppeltem Medaillenkurs. Nach der Geländeprüfung und vor dem abschließenden Parcoursspringen am Mittwoch rangiert die Military-Mannschaft hinter den Franzosen auf dem zweiten Rang - noch vor den favorisierten Briten.

Liegt aussichtsreich im Rennen: Bettina Hoy (Foto: Foto: AP)

Seit zwölf Jahren ist das deutsche Team ohne olympische Medaille, doch diesmal winken sogar zwei: Auch Bettina Hoy liegt in der Einzelwertung auf Platz zwei hinter dem französischen Europameister Nicolas Touzaint auf Galan de Sauvages und vor der US-Reiterin Kimberley Severson auf Winsome Andante. "Endlich", sagte die 41-jährige Reiterin, als sie ohne Hindernisfehler und mit nur 3,2 Zeitstrafpunkten aus dem Gelände kam.

Endlich scheint die Pechsträhne zu Ende zu sein, die sie und das deutsche Team bei Olympischen Spielen seit 1992 verfolgt. Endlich hat es mal geklappt. Als die deutschen Anhänger, die mitten in der Nacht in Hannover losgeflogen waren und vor den Toren des Stadions zwei Stunden ohne Verpflegung und Wasser mit Fahnen und bemalten Gesichtern ausgeharrt hatten, ihrer Heldin habhaft wurden, nahmen sie sie auf die Schulter und ließen sie hochleben. Da rollten Bettina Hoy Tränen über das Gesicht - cooler Profi hin oder her.

Das Pferd verlor die Beine

Aber der Dienstag gehörte dann doch eher Ingrid Klimke. Die 36-jährige Tochter des sechsfachen Olympiasiegers Reiner Klimke legte den Ritt ihres Lebens hin. Nach einer für sie enttäuschenden Dressur am Montag galoppierte ihr Schimmel Sleep Late nun über die 5700 Meter lange Strecke, dass es eine Freude war. Ohne zu zögern zog er von Sprung zu Sprung.

Doch nach knapp der Hälfte der Sprünge zwischen Hindernis 15 und 16 verlor das Pferd die Beine. Die Hinterhufe fanden keinen Halt auf der dünnen Rasenschicht, die auf das Geröll aufgebracht worden war. Es kam zum Sturz. Die Reiterin fiel auf die Füße, blickte sich kurz um, angelte sich den Steigbügel und ritt unverzüglich weiter. Der Technische Delegierte Mike Etherington-Smith sagte später entschuldigend: "Sie war so schnell wieder oben, dass wir sie überhaupt nicht zu fassen bekommen und ihr helfen konnten." So schnell ritt sie dann auch weiter.

Klimke erreichte in unglaublichen neun Minuten und 27 Sekunden das Ziel. Es sollte die schnellste Zeit des Tages bleiben - 49 Sekunden schneller als die erlaubte Zeit. "Ich habe mein Pferd dann einfach weiterlaufen lassen und gar nicht mehr auf die Uhr geschaut, sondern nur meinem Gefühl vertraut", sagte sie. "Wir konnten es erst nicht glauben und haben die Zeit dreimal überprüft", sagte Etherington-Smith.

Das Ergebnis, sagte Klimke hinterher, habe sie auch der gründlichen Vorbereitung mit dem englischen Trainer Chris Bartle zu verdanken. "Chris hat mit uns alle möglichen Varianten durchgesprochen, so dass ich nach dem Ausrutscher sofort umschalten und um den Baum hinter dem Hindernis herumreiten konnte." Weil der Sturz nicht in Zusammenhang mit dem Sprung passierte, bekam Ingrid Klimke keine Strafpunkte. Auch 20 Punkte für eine vermeintliche Verweigerung, weil sie kurz entschlossen einen anderen Weg wählte, wurden wieder zurückgenommen, so dass es bei den 41,00 Dressurpunkten blieb.

Das bedeutete Zwischenrang sechs und weniger als einen Springfehler von Bronze entfernt. Ein Tag, auf dem für Ingrid Klimke besondere Emotionen lasteten, nicht nur wegen ihres Ritts. Zum fünften Mal jährte sich am Dienstag der Todestag ihres Vaters Reiner Klimke. "Als ich das Datum des Geländetages las, wusste ich nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Omen war", sagte sie, "aber heute weiß ich, dass ich den besten Schutzengel der Welt hatte. Ich bin auch für ihn geritten. Er wollte, dass ich hier gut bin."

Gestürztes Pferd operiert

Nicht nur die beiden Amazonen, auch die drei Männer des deutschen Teams legten flotte Runden hin und kassierten keinen einzigen Hindernisfehler. Frank Ostholt auf Air Jordan liegt mit 1,60 Fehlern für Zeitüberschreitung und insgesamt 43 Punkten auf Platz neun, Hinrich Romeike auf Marius mit 0,80 Zeitfehlern und insgesamt 45,20 auf Platz 13 und Andreas Dibowski mit Little Lemon mit 3,60 Zeitfehlern und insgesamt 49 Fehlerpunkten auf Rang 21 von 75 Reitern.

55 Reiter bewältigten den Kurs am Dienstag ohne Hindernisfehler, 16 Reiter auch ohne Zeitfehler - das war eine bessere Quote als bei früheren Championaten. Ganz ohne Zwischenfall ging es allerdings auch diesmal nicht ab. Das Pferd Over and Over des Belgiers Joris Vanspringel zog sich bei einem Sturz einen Bruch im Bereich der linken Hüfte zu und wurde noch am Nachmittag operiert. Die anderen Pferde hätten die Hitze gut überstanden, so der offizielle Tierarzt Leo Jeffcott. Reiter und Pferd mussten nicht bis zur Erschöpfung strapaziert werden.

© Süddeutsche Zeitung vom 18.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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