Michi Greis gewinnt Silber:Zwei Fehler sind Silber wert

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Der 30 Jahre alte Nesselwanger musste sich nur dem neuen Weltmeister Raphael Poiree geschlagen geben.

Joachim Moelter

Am Sonntagabend war auch Ricco Groß in Antholz eingetroffen, als letzter der sechs deutschen Biathleten und fast auch schon als ihre letzte Hoffnung bei diesen Weltmeisterschaften. In den ersten Wettbewerben, dem Sprint und der Verfolgung, hatten sich die Kollegen ja kollektiv zwischen den Plätzen zehn und zwanzig versammelt, was allgemein als enttäuschend empfunden worden war. ,,Das haben wir uns selbst eingebrockt'', sagt Ricco Groß, ,,weil wir in den letzten Jahren immer so erfolgreich waren.''

Mit vier Goldmedaillen waren die Bi-athleten des Deutschen Skiverbandes (DSV) aus Turin zurückgekehrt, von den Olympischen Winterspielen 2006; bei der Weltmeisterschaft 2005 in Hochfilzen waren in jedem Rennen drei Deutsche unter den ersten Zehn, fünfmal standen sie sogar auf dem Podium der besten Drei. In Antholz haben sie am Dienstag endlich an diese Erfolge angeknüpft: Beim Einzelrennen über 20 Kilometer holte sich Michael Greis wie vor zwei Jahren die Silbermedaille, diesmal hinter dem Franzosen Raphael Poiree, der zum Saisonende seinen Rücktritt angekündigt hat. Groß war der zweitbeste DSV-Athlet, er kam auf Platz neun.

,,Großes Kompliment an Michi und Ricco'', lobte Bundestrainer Frank Ullrich, dem es am Wochenende noch die Sprache verschlagen hatte angesichts der ungewohnten Misserfolge seiner Athleten: ,,Läuferisch war das eine Glanzleistung.'' Vor allem von Greis, dem Olympiasieger in dieser Disziplin. Der 30-Jährige kompensierte selbst zwei Strafminuten, die er für seine Schießfehler erhalten hatte; am Ende lag Greis nur 26,8 Sekunden hinter dem fehlerlosen Franzosen. ,,Die Medaille nimmt viel Druck von der Mannschaft'', sagte Greis. ,,Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich so schnell unterwegs bin, zwei Fehler sind fast einer zuviel für eine Medaille. Aber ich habe momentan beim Schießen einfach nicht die hundertprozentige Sicherheit.'' Die hat offenbar keiner außer Ricco Groß: Wie am Wochenende verpulverten dessen Teamkollegen ihre Chancen. Alexander Wolf (13.), Andreas Birnbacher (19.) und Sven Fischer (20.) schossen jeweils dreimal vorbei. Nur Groß blieb fehlerfrei bei den 20 Schuss, aber er ist läuferisch nicht mehr auf höchstem Niveau.

Groß spürt das AlterJürgen Wick, der in Antholz als Co-Trainer fungiert für den erkrankten Fritz Fischer, hatte vor dem Rennen ge-klagt, dass die Vorbereitungszeit zwi-schen dem Weltcup in Pokljuka und der WM in Antholz für die deutschen Athleten zu knapp gewesen sei: ,,Es fehlen uns drei, vier Trainingstage, um Sicherheit zu kriegen.'' Insofern hatte Wick, ursprünglich wissenschaftlicher Berater im DSV-Trainerstab, Groß gute Chancen eingeräumt für das Einzelrennen. Der Ruhpoldinger hatte sich ja ein paar Tage länger vorbereiten können als die Kollegen, bis zum Sonntag war er im nahegelegenen Ridnaun geblieben. ,,Es waren harte Tage am Fernseher'', sagte Ricco Groß, ,,es war ja das erste Mal seit 17 Jahren, dass ich beim Sprint nicht mitgelaufen bin.''

Ricco Groß spürt das Alter. Er ist mittlerweile 36, nach dieser Saison beendet er seine Karriere, die WM in Antholz ist seine letzte, das Einzelrennen vom Dienstag war möglicherweise sein einziger Einsatz. Ob der fünfmalige Staffel-Weltmeister am Wochenende noch einmal im DSV-Quartett eingesetzt wird, ist jedenfalls fraglich. ,,Die anderen Fünf waren halt besser in den vorangegangenen Weltcups'', hat er in Antholz gesagt und sich vorgenommen, einfach ,,noch einmal eine schöne WM zu erleben.''

Sechsmal daneben

Zumindest was das Wetter anging, war es bislang tatsächlich eine schöne Weltmeisterschaft. In der Vorhersage war für Dienstag erstmals Schneefall angekündigt worden, was wahrscheinlich der Grund war für die Norweger um ihren Doppel-Weltmeister Ole Einar Björndalen, erst in der dritten Startgruppe loszulaufen. Wenn es schneit, ist es in aller Regel besser, später zu starten, weil die Konkurrenz dann meist schon die Spur gesäubert hat und einem das Vorwärtskommen deutlich leichter fällt als in einer Loipe voller Neuschnee. Es schneite dann allerdings doch nicht, und da machte sich der taktische Nachteil dieser Entscheidung der Norweger bemerkbar. ,,Wenn man später startet, kennt man die Ergebnisse der anderen schon, und wenn da einige Null geschossen haben, steht man gleich unter Druck'', sagt Andrea Henkel, die an diesem Mittwoch bei den Frauen ihren Titel über 15 Kilometer verteidigen muss.

Als Ole Einar Björndalen jedenfalls zum ersten Mal an den Schießstand kam, hatte Raphael Poiree gerade seine letzten Kugeln abgefeuert; der Norweger wusste, dass er sich nicht viele Fehler leisten durfte. Er schoss aber gleich dreimal daneben und später noch dreimal. Die sechs Strafminuten konnte nicht einmal er - der stärkste Läufer im Feld - aufholen; er wurde 29. Dem Einzeltitel bei der WM, dem einzigen, der ihm fehlt in seiner Sammlung, läuft er also weiter hinterher. Ricco Groß muss das nicht mehr, er war schon 1997 Weltmeister in dieser Disziplin. ,,Und die Medaille'', sagte er, ,,kann mir keiner mehr wegnehmen.''

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