Michelin-Pneus:Grober Fehler beim Modell Indy 2005

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Für jedes Formel-1-Rennen werden extra Reifen gebaut - in den USA hatte ein Lieferant die falschen dabei.

SZ/brü

Anfangspunkt der beispiellosen Konfusion war ein Unfall von Ralf Schumacher. Am Freitag verunglückte der Deutsche in der Steilkurve des Indianapolis Motorspeedway. Bei Tempo 310 verlor Ralf Schumacher die Kontrolle über seinen Toyota, nachdem aus dessen linken Hinterreifen plötzlich die Luft entwichen war.

Mit Tempo 300 in die Bande: Ralf Schumacher bei seinem Crash (Foto: Foto: dpa)

Der Kerpener schlug frontal in die Wand, er konnte aber aus eigener Kraft aussteigen und hätte auch den Grand Prix in Angriff nehmen wollen, doch der Formel-1-Rennarzt Gary Hartstein erklärte ihn nach einer dreieinhalbstündige Untersuchung für Renn-untüchtig.

Am Samstag zeigte sich, dass dem Unfall ein Herstellungsfehler der Michelin-Reifen zugrunde lag. An allen von den Franzosen ausgerüsteten Autos von Toyota, Renault, BAR-Honda, Williams-BMW, McLaren-Mercedes, Sauber und Red Bull wiesen die Reifen Schwächen auf. Wie der japanische Bridgestone-Konzern, der Ferrari, Minardi und Jordan ausrüstet, baut auch Michelin für jedes Rennen extra Reifen. Beim Modell Indy 2005 hatte sich dabei offenbar ein Fehler eingeschlichen.

Die Nahtstelle zwischen der Reifenschulter und der Lauffläche war der französischen Firma zu fragil geraten. Um den sonst auf der Strecke fahrenden Rennwagen der Indy Racing League mehr Haftung zu verschaffen, war der Streckenbelag im vergangenen Jahr aufgeraut worden. Die neue Oberfläche erhitzte die Seite der Formel-1-Reifen stärker. Die der Michelin-Pneus offenbar zu stark. Für das Training gab der Konzern den von ihm belieferten Teams ein Kilometerlimit vor. Viele Piloten mieden zudem die um neun Prozent überhöhte Steilkurve, in der sich der größte Druck auf den Reifen aufbaut.

In der Qualifikation am Samstag gaben dann alle Vollgas. "Michelin hat uns gesagt, dass die Reifen für die eine Runde sicher sind", sagte Toyota-Chefingenieur Dieter Gass, dessen Fahrer Jarno Trulli die schnellste Runde glückte. Zweitschellster war der Finne Kimi Räikkönen im McLaren-Mercedes, Position drei sicherte sich Jenson Button im BAR-Honda - alle auf Michelin-Reifen.

Zur gleichen Zeit ließ die Firma aus Frankreich 140 Reifensätze einfliegen, die stabiler konstruiert waren. Doch mit diesen Pneus gab es ein Problem: Ihr Einsatz hing vom guten Willen des Automobilweltverbandes Fia ab. Seit diesem Jahr gilt: Ein Reifen muss ein Grand-Prix-Wochenende lang halten. Wer einen wechselt, wird bestraft. Wie hart, hängt von der Fia ab.

Bis Sonntagmorgen um 2 Uhr liefen im Michelin-Technikzentrum in Greenville/South Carolina Versuchsfahrten mit den alten Pneus, um das genaue Problem zu ermitteln. Die Tests und Analysen ergaben: die Reifen würden nach spätestens 15 Runden in Indianapolis kollabieren.

"Wir können die Sicherheit der Fahrer nicht garantieren", teilte Michelin-Motorsport-Direktor Pierre Dupasquier der Fia daraufhin mit. Um das Rennen zu retten, schlug er vor: Die Fia solle die Steilkurve durch eine Schikane entschärfen.

Charlie Whiting, der von der Fia bestellte Renndirektor, lehnte ab: "Das ist keine Möglichkeit", schrieb er in einer Mitteilung. Sein Vorschlag an die betroffenen Teams: Sie könnten mit den ursprünglichen Reifen langsamer durch die Steilkurve fahren, aus Sicherheitsgründen alle zehn Runden den besonders stark beanspruchten linken Hinterreifen wechseln, oder die neu eingeflogenen, stabileren Reifen benutzen.

Für diesen Fall jedoch kündigte er eine Strafe an, "die hoch genug ist, damit kein Team in Zukunft in Versuchung kommt, einen Reifen nur für das Qualifying einzusetzen". Das letzte Wort in diesem Fall hätten die Rennkommissare.

Diese Aussicht schreckte Toyota, Renault, BAR-Honda, Williams-BMW, McLaren-Mercedes, Sauber und Red Bull ab. Sie bestanden auf einer Schikane. Auch Jordan und Minardi erklärten sich mit dieser Lösung einverstanden. Ferrari nicht. Die Scuderia stellte sich loyal zur Fia. Die beiden Minardi und Jordan traten ebenfalls an.

© SZ vom 20.06.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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