Michael Schumacher:Abrupte Abkühlung

Lesezeit: 3 min

Michael Schumacher hat das Interesse an seinen Erben bei Ferrari verloren - wohl auch deshalb, weil er mit dem Potential, das Ferrari derzeit hat, die WM-Wertung locker anführen würde.

René Hofmann

Vor einigen Monaten gab es eine hübsche Falschmeldung über Michael Schumacher. Der siebenmalige Weltmeister liebäugele mit einem Comeback, spekulierte ein Fachblatt. Als Vorbereitung habe er bereist Testfahrten im aktuellen Formel-1-Ferrari absolviert, getarnt mit dem Helm des Testpiloten. Ein alter Meister unter falschen Farben - die Geschichte war gut. Und sie passte in die Zeit. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass der ehemalige Teamorganisator der stolzen Scuderia knapp 800 Seiten voller detaillierter Baupläne und pikanter Informationen gemopst und den Hauptrivalen McLaren-Mercedes zugeschanzt hatte.

Michael Schumacher: wenig Interesse an Ferrari. (Foto: Foto: dpa)

Und Schumachers Erben gaben am Volant gerade auch keine gute Figur ab. In Monaco hatte Kimi Räikkönen seinen Dienstwagen in der Qualifikation in die Leitplanke gesetzt. In Kanada hatte Felipe Massa wie ein Fahranfänger die rote Ampel am Ende der Boxengasse übersehen. Etwas Nachhilfe, eine ordnende Hand - das würde der Gruppe gut tun, so hatte es den Anschein.

Inzwischen sind wieder ein paar Monate vergangen. An diesem Wochenende steht der Große Preis von Italien in Monza an. Das Ferrari-Heimspiel. Traditionell verkünden die Roten dort gerne, wenn sich bei ihnen etwas ändert. Vor einem Jahr gab Schumacher in Monza seinen Rücktritt zum Saisonende bekannt - am Funk, mit bewegter Stimme, nach einem souverän herausgefahrenen Sieg. Ähnlich sentimental aufgeladene Momente sind dieses Mal nicht zu erwarten.

Die Männer, die das Cavallino Rampante auf dem Herzen tragen, kommen als Jäger. In beiden Wertungen. Bei den Konstrukteuren ist McLaren-Mercedes elf Zähler voraus. Bei den Fahrern steht es: 1. Lewis Hamilton 84 Punkte, 2. Fernando Alonso 79 (beide McLaren), 3. Massa 69, 4. Räikkönen 68. Die jüngste Wettfahrt in Istanbul dominierten die Ferrari-Piloten. Nun muss ihnen auf dem Autodromo Nazionale und acht Tage später in Spa-Francorchamps Ähnliches glücken. Nur dann wird der Titelkampf noch einmal bunt und der traditionsreichste Rennstall kann das Jahr eins nach Schumacher als halbwegs gelungen verbuchen. Eine spannende Zeit. Jetzt wird sich weisen, ob die Ferrari-Granden Luca di Montezemolo und Jean Todt auf die Richtigen gesetzt haben.

Fest steht aber schon jetzt: Gemessen am direkten Gegner und der eigenen Tradition hat sich ihre Equipe in diesem Jahr ungewöhnlich viele Fehler geleistet. Massas Saison begann gleich mit einem Getriebeschaden, Räikkönen bremste in Barcelona ein Lichtmaschinen-Defekt. In Großbritannien starb Massas Motor am Start ab, in Budapest vergaßen seine Mechaniker in der Qualifikation das Tanken. Zweimal ließ er sich selbst von den McLaren-Fahrern abkochen - in Malaysia gleich nach dem Start von Neuling Hamilton und am Nürburgring kurz vor dem Ziel im Regen von Routinier Alonso. Räikkönen drückte in Bahrain am Start erst die falschen Knöpfe und trödelte später hinter dem Safety Car so sehr, dass er gleich etliche Sekunden auf den Vordermann verlor. Potential hat das diesjährige Auto. Die neun schnellsten Rennrunden, sieben Pole Positionen und sechs Siege künden davon. Es braucht wenig Phantasie sich auszumalen, was ein erfahrener und konstanter Könner mit diesem Werkzeug erreichen könnte: Michael Schumacher würde die WM-Wertung wohl locker anführen.

Wie schnell sein Interesse an seinem einstigen Beruf jedoch abgekühlt ist, lässt sich an der Frequenz ablesen, in der es ihn an seine ehemaligen Wirkstätten zieht. Kaum war der F2007 zusammengeschraubt, flog Schumacher nach Maranello, um das Werk zu sehen. Anschließend schaute er bei den Testfahrten vorbei. Beim Saisonauftakt in Australien saß er am Freitagmorgen um vier Uhr in der Früh vor dem Fernseher, um das erste Training nicht zu verpassen. Kaum war Räikkönen als Erster über die Ziellinie gedonnert, griff Schumacher zum Telefon, um ihm zu gratulieren. Mitte Mai stattete er dem Wanderzirkus in Barcelona einen Besuch ab, Ende Mai schaute er in Monaco vorbei, Anfang Juni in Kanada, Anfang Juli in Frankreich und Ende Juli auf dem Nürburgring. Seitdem aber kam er nicht mehr. Ob er in Monza erscheint, will er kurzfristig entscheiden.

Wenn nicht alle Zeichen trügen, dann hat Schumacher das Interesse an dem, was ihn einst bewegte, abrupt verloren. Bei seinen wenigen Auftritten in diesem Jahr hat er eines immer wieder gesagt: Wie schwer es doch sei, als Außenstehender auf dem Laufenden zu bleiben. Inzwischen findet sich im Fahrerlager kaum noch jemand, der auf ein schnelles und dauerhaftes Schumacher-Comeback wetten würde. Auch die Aussicht, dass sein Freund und Wegbegleiter Ross Brawn nach einem Jahr Pause als Ober-Techniker zurückkommen könnte, hebt die Quote kaum.

Vor wenigen Tagen hat es wieder eine hübsche Meldung über Michael Schumacher gegeben. Sie kam von ihm selbst, entsprechend verbürgt ist ihr Wahrheitsgehalt: Der siebenmalige Formel-1-Weltmeister ist jetzt stolzer Mitbesitzer eines Go-Kart-Teams.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: