Michael Rensing:Auf wackeliger Brücke

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Mit Höhen und Tiefen: Michael Rensing hat Oliver Kahn sieben Spiele vertreten, aber nicht alle Fragen des FC Bayern klären können.

Benedikt Warmbrunn

Sepp Maier wollte einfach schnell nach Hause. Mehrere Spieler des FCBayern hatten ihre Autos aber so abgestellt, dass der Torwarttrainer nur mit der Hilfe von drei Ordnern ausparken konnte. Als Torwart beim Fußball-Rekordmeister, ob aktiv oder in Pension, hat man es momentan eben nicht leicht - da ist das Problem am Parkplatz zwar nachrangig, aber es kann auch eines sein. Michael Rensing zum Beispiel parkt noch nicht dort, wo der Maier Sepp parken darf oder Oliver Kahn. Rensings weißer Sportwagen darf noch nicht auf den begehrten Platz direkt am Kabineneingang. Man kann diese Parkplatzfrage auch bildhaft sehen: Der 23-Jährige ist angekommen, aber auch noch nicht dort, wo er hin will.

Rensing ist als Kahns Nachfolger ausersehen, er durfte ihn jetzt ein paar Wochen lang vertreten, aber seine Paraden boten Diskussionsstoff, etwa am Mittwoch im Pokalspiel gegen Mönchengladbach. Gegen Oliver Neuville klärte er zwei Mal abgebrüht im direkten Duell, im Strafraum bewegte er sich sicher wie ein Löwe in freier Wildbahn: mit dem Wissen, dass ihm keiner gefährlich werden kann. "Er ist auch in seinen jungen Jahren schon sehr routiniert", lobte Trainer Ottmar Hitzfeld. Doch das Gegentor offenbarte Rensings Schwäche: Bei Fernschüssen wirkt er bisweilen irritiert wie ein Wanderer auf einer alten, wackeligen Holzbrücke über einem Fluss mit reißender Strömung. Sicher, der Ball flatterte wild, doch Rensing gelang es im Rückwärtsflug nicht mehr, ihn abzuwehren.

Schon im Uefa-Pokalspiel in Belgrad hatte Rensing zwei hundsgemeine Distanzschüsse passieren lassen - ob sie haltbar waren oder nicht, darüber wird bei den Bayern weiterhin debattiert. Jedenfalls hatte ihn sich Manager Uli Hoeneß noch in der Kabine ordentlich zur Brust genommen und dies vor der Tür den Medien mitgeteilt: Er möge sich besser auf seinen Job konzentrieren, bitteschön. "Danach hat man beim Michael schon eine gewisse Betroffenheit bemerkt", sagt Torwarttrainer und Ersatztorhüter Bernd Dreher. Doch nicht nur deshalb findet bei den Münchnern an diesem Samstag vermutlich ein Rollentausch statt: Für Rensing kehrt Kahn zurück ins Tor, gegen Frankfurt, am Donnerstag im Uefa-Cup gegen die Bolton Wanderers und - falls der jüngst operierte Ellbogen hält - vermutlich bis zum Saisonende.

Dann tritt Kahn zurück. Das ist längst klar verabredet, aber für Hitzfeld ist die Situation nicht unkompliziert. Einerseits ist er ein Trainer, der auf Hierarchien vertraut und der alles tun wird, einem verdienten Streiter zu einem würdigen Abschied zu verhelfen. Andererseits hat die jüngste Rensing-Phase gezeigt, dass weiter Klärungsbedarf besteht. Der Nachwuchsmann hat zwar schnelle Reflexe bewiesen, aber auf die zentrale Frage in der Personalabteilung der Münchner ist die Antwort weiter offen: Ist der junge, begabte Mann aus Lingen/Niedersachsen wirklich der Erbe des Titanen, also der Türsteher, der auf Jahre hinaus den Stress von medialem Tagewerk bis hin zur Champions League erträgt? Rensing wird sicher seine Einsätze bekommen, beispielsweise im DFB-Pokal-Achtelfinale Ende Januar beim Wuppertaler SV. Was er, aber auch der Verein, jedoch wirklich benötigt, wäre eine zweite Testphase. Vorerst freut sich Rensing, dass er sieben Partien in Serie im Tor stehen durfte. Vier Spiele davon waren ein Zu-Null - keine schlechte Quote: "So einen Rhythmus zu haben, ist wichtig, auch im Hinblick auf kommende Saison."

Dass Rensing dann das Trikot mit der Nummer eins trägt, scheint trotz der jüngsten Irritationen gewiss zu sein. Höchst interessant aber wird es sein, wen die Bayern aussuchen, um Rensings Reservistenplatz auf der Bank einzunehmen. Dreher feierte an diesem Freitag seinen 41. Geburtstag, eine weitere Saison als Ersatztorwart dürfte für ihn so verlockend sein wie ein ausgiebiges Bad im Starnberger See bei frostigen Temperaturen. Bei den Amateuren in der Regionalliga zeigt der 19-jährige Thomas Kraft zwar konstant gute Leistungen, gibt aber selbst zu, dass er noch nicht so weit sei, für Rensing gleichzeitig Stellvertreter und Herausforderer zu sein. Wahrscheinlicher ist deswegen, dass die Bayern einen weiteren Torwart verpflichten. Da in Kraft ein Talent für die Zukunft bereitsteht, bietet sich ein erfahrener Spieler als Stellvertreter an. Aber wer weiß, vielleicht sehen sich die Planer nun eher nach einem Herausforderer um.

So oder so, schon jetzt ist bekannt, wer über jedwede Lösung im Tor der Glücklichste im Bayernlande sein wird. Bernd Dreher, der seit 1996 im Verein ist, als Kahn-Ersatz gerade 15 Ligaspiele bestritt (Saisonschnitt circa anderthalb) und in den letzten Wochen bangend auf der Bank saß: Hauptsache der Rensing patzt nicht, Hauptsache ich muss da nie mehr rein.

© SZ vom 3.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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