Mehmet Scholl und Bayern II:Der große Graben

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In der Krise des FC Bayern München II werden Differenzen zwischen Trainer Mehmet Scholl und Nachwuchsleiter Werner Kern deutlich.

Benedikt Warmbrunn

Wenige Tage nach einem Pflichtspiel des FC Bayern II versammelt Trainer Mehmet Scholl die Mannschaft stets zur erneuten Analyse um sich. Am Mittwoch in der vergangenen Woche ging es aber weniger um das 0:2 in Erfurt, Mehmet Scholl musste der Mannschaft gegenüber vielmehr etwas klarstellen. In den Zeitungen stand, dass Scholl die Qualität der Spieler in Frage stelle, er hatte das drastischer ausgedrückt: Sie träten die Grundgesetze des Fußballs mit Füßen.

Mehmet Scholl und seine Mannschaft sind in der Krise. (Foto: Foto: dpa)

Das hatte Scholl direkt nach dem Spiel in Erfurt, sauer über die vierte Niederlage in Folge, dem Team in ähnlicher Art auch gesagt, aber dann noch öffentlich, das war bemerkenswert. Bei der Nachbesprechung erklärte Scholl, dass jeder Spieler die Gelegenheit erhalte, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Vor dem Spiel an diesem Samstag gegen Osnabrück (14 Uhr, Stadion an der Grünwalder Straße) wiederholt Scholl diese Zusagen. "Ich glaube an die Jungs", sagt er, "die sind charakterlich in Ordnung."

Mit seinen Interviews wollte Scholl die Spieler wohl motivieren, sie anstacheln. Aber öffentliche Kritik ist für verunsicherte Spieler Gift. Die Zitate des Trainers waren in der vergangenen Woche daher das Gesprächsthema in der Mannschaft. Jeder mache sich über solche Sätze Gedanken, sagt ein Spieler, das kränke einen, aber man dürfe es eben nicht an sich heranlassen. Scholl selbst äußert sich dazu nicht mehr, drückt es daher komplizierter aus.

"Wir müssen den Körper und den Kopf anstrengen", sagt er. Schon zuvor waren viele Spieler verunsichert, daraus resultierten die individuellen Fehler, die Scholl für die bisher miserable Saison verantwortlich macht. Trotz der öffentlichen Kritik, so ist aus dem Team zu hören, glauben alle, dass Scholl sie aus der Krise führen kann.

Das Team weiß Scholl in dieser schweren Phase der Saison also hinter sich, dafür gibt es andere Unruhen im direkten Umfeld der Mannschaft. Schon länger ist aus dem Verein zu hören, dass Scholl und Nachwuchsleiter Werner Kern in vielen Punkten Meinungsverschiedenheiten haben. Das beginnt mit der taktischen Ausrichtung: Die Philosophie des FC Bayern sieht für alle Jugendteams inklusive der zweiten Mannschaft ein 4-4-2 vor, mit klaren Aufgaben für den Einzelnen, für eine positionsgerechte Schulung. Scholl hält diese Ausrichtung für überholt, er ist flexibler, lässt auch mal mit einer Spitze spielen. Dass überwiegend Scholl im Mittelpunkt steht und nicht das Team, stört ebenfalls so manchen im Klub.

Die Differenzen zwischen Scholl und Kern zeigten sich auch in Interviews in der vergangenen Woche. So kritisierte Scholl das Spielermaterial, das zum Großteil Kern mit Scholls Vorgänger Hermann Gerland zusammengestellt hatte. Kern wiederum sagte einem Internetportal, dass Scholl seine Meinung ständig ändere. Die Ansprache an die Mannschaft stimme zwar, doch Scholl rotiere zu häufig, bemängelte Kern. Seine Forderung: Scholl müsse nun schleunigst wieder gewinnen.

Krisengespräch mit Hoeneß

Zudem kündigte Kern ein Krisengespräch mit Manager Uli Hoeneß und Sportdirektor Christian Nerlinger an, das am Dienstag stattfand - aber ohne Scholl. Das Ergebnis: Ab sofort spricht nur Scholl gegenüber der Presse über die sportliche Situation, jeden Donnerstag eine Stunde lang. Kern wird sich nur noch zu administrativen Fragen äußern. Es ist eine strikte Aufgabenteilung zwischen den zwei Verantwortlichen, bei denen die Kommunikation seit Längerem nicht mehr stimmt.

Somit rückt Scholl noch stärker in den Fokus der Öffentlichkeit, die Verantwortung liegt einzig und allein bei ihm. Sorgen macht er sich deswegen nicht. "Ich spüre keinen Druck", beteuert er. Rückendeckung erhält er von Hoeneß, der in der Sport-Bild Scholl das Vertrauen aussprach. Diese Bestärkungen hat Scholl selber herausgefordert, als er nach der Niederlage in Erfurt sagte, dass vielleicht auch bei ihm die Qualität nicht für die dritte Liga reiche. Sofort kursierten Rücktrittsgerüchte, Scholl selbst hatte eine Diskussion um die eigene Person ausgelöst.

Kritikpunkte genug gibt es. Bei neun Punkten aus zwölf Spielen ist offensichtlich, dass bisher keine von Scholls Maßnahmen ihren Zweck erfüllt hat. Weder die Verpflichtung neuer Spieler, noch taktische oder personelle Umstellungen. Inzwischen versucht Scholl, der Krise mit verstärktem Zweikampftraining und mehr Aggressivität entgegenzuwirken. An einen Rücktritt, das bekräftigt er erneut, habe er nie gedacht. "Das war ironisch", sagt er inzwischen, "manchmal rede ich so." Als Spieler hat der Humor Mehmet Scholl von den anderen unterschieden. Als Trainer spaltet er damit den Verein.

© SZ vom 15.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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