Max Schmeling wird 99:Im engsten Kreise

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Max Schmeling läutet die 100. Runde seines Lebens ein, doch großen Trubel an seinem 99. Geburtstag wird es nicht geben. Eine kleiner Empfang im engsten Kreis auf seinem Anwesen bei Hollenstedt vor den Toren Hamburgs ist alles.

Von Jörg Marwedel

Klein-Luckow ist ein eher unbekanntes Städtchen in der Uckermark. Am heutigen Dienstag aber wird der verträumte Ort in einem Zug mit Los Angeles und Las Vegas genannt werden.

Wie früher schon die kalifornische Metropole und das Spielerparadies, wird nun auch Klein-Luckow Max Schmeling die Ehrenbürger-Urkunde übergeben. Anlass ist der Tag, der heute genau 99 Jahre zurückliegt - die Geburt des berühmtesten deutschen Boxers aller Zeiten 1905 in jenem brandenburgischen Flecken.

Es hat also ziemlich lange gedauert, bis die kleine Stadt ihren großen Sohn auch amtlich als solchen angenommen hat; es lagen ja auch noch 40 Jahre DDR-Geschichte dazwischen, in denen Schmeling im Osten Deutschlands weniger gut gelitten war.

Es bleibt gleichwohl nicht die einzige Ehrung für den Mann, der seit seinem Sensationssieg am 19. Juni 1936 über Joe Louis in New York durch K.o. in der zwölften Runde schon zu Lebzeiten eine Legende wurde und seit Jahren zurückgezogen auf seinem Anwesen in Hollenstedt bei Hamburg lebt.

Die österreichische Post gibt jetzt sogar eine 55-Cent-Briefmarke mit Schmelings Konterfei in einer Auflage von einer Million heraus. Im nächsten Jahr, wenn das Idol hundert wird, soll die nächste folgen.

Das Motiv: Schmeling in Kampfpose, 1926 gemalt von dem Künstler George Grosz. In Deutschland verbietet ein Gesetz eine derartige Huldigung. Bis auf den Bundespräsidenten dürfen keine lebenden Personen auf Postwertzeichen abgebildet werden.

Max Schmeling selbst wird dies nicht stören. Im Gegenteil: Der Jubilar, der im Berlin der dreißiger Jahre als charmanter Partygast galt und von den Nationalsozialisten gern als Aushängeschild der arischen Rasse vorgezeigt wurde, meidet inzwischen jeglichen Trubel um seine Person.

Auch heute wird es nur einen Empfang im engsten Kreis geben. Dazu zählen neben seinem Freund und Berater Herbert Woltmann, 70, vor allem Mitarbeiter seiner beiden Stiftungen, die insgesamt fünf Millionen Euro für wohltätige Zwecke verwalten, darunter für die SOS-Kinderdörfer, die Obdachlosenhilfe der Stadtmission Hamburg, das Kinderherzzentrum in Kiel und die Pfarrgemeinde in Klein-Luckow.

Obwohl Schmeling sein Anwesen in der Nordheide kaum noch verlässt, schildern Freunde seinen Gesundheitszustand als gut für einen Mann seines Alters.

Die Treppen bewältige er noch selbst, und nach einer Augenoperation vor acht Jahren, mit der erfolgreich der graue Star bekämpft wurde, lese er noch immer täglich mehrere Zeitungen. Interviews dagegen verweigert Schmeling beharrlich.

Nur für das heimische Hamburger Abendblatt beantwortete der einstige Champion jetzt ein paar Fragen. Zu erfahren war auf diese Weise, dass er sich noch immer große Boxkämpfe im Fernsehen anschaue, mit einer wichtigen Einschränkung allerdings: "Dafür stehe ich nicht mehr nachts um vier auf."

Auch den Film "Joe und Max", der sich mit der Rivalität und Freundschaft der beiden einstigen Box-Rivalen Joe Louis und Max Schmeling befasst und demnächst in Deutschland als Video und DVD auf den Markt kommt, werde er sich ansehen, wenngleich er die Wahl von Till Schweiger als Schmeling-Darsteller offenbar für nicht optimal hält: "Auf den ersten Blick habe ich doch etwas die Ähnlichkeit zwischen ihm und mir vermisst."

Auch eine Art letzten Wunsch äußerte Schmeling. Gern würde er noch einmal die Brüder Henry und Werner Lewin treffen. Das sind die Kinder eines jüdischen Freundes, denen der Boxer im November 1938 zur Flucht verholfen hatte, und die heute in Kalifornien leben.

© SZ vom 28.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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