Markus Kavka über Ingolstadt:"Underdogs, sympathische"

Lesezeit: 3 min

Der Musikmoderator analysiert jetzt Fußballspiele bei einem Spartensender und spricht über seine Leidenschaft für den FCI, Fankultur und Fußball-Romantik.

Von Filippo Cataldo

SZ: Herr Kavka, mit weit über Mitte 40 haben Sie nochmal das Metier gewechselt. Seit der letzten Länderspielpause erklären Sie jetzt den Zuschauern Fußball - auf RTL Nitro. Keine Lust mehr auf Musik?

Markus Kavka: Meine Leidenschaft für Fußball ist noch viel älter als die für Musik. Meine Samstage laufen seit frühester Kindheit immer gleich ab: Konferenz im Radio, dann Sportschau, Sportstudio. Mittlerweile natürlich auch die Sky-Konferenz. Ich lese alle Sportteile, die ich in die Finger kriegen kann, treibe mich auf allen möglichen Fußball-Blogs herum. Ich bin ein leidenschaftlicher Fußballfan mit nerdigem Fachwissen. Insofern ist für mich jetzt wirklich ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen.

Sie moderieren zusammen mit Steffen Freund die Show vor und während der EM-Qualifikationsspiele ohne deutsche Beteiligung. Wer die Show gesehen hat und Sie noch von MTV kennt, könnte meinen, dass es für Sie keinen großen Unterschied macht, ob Sie über Musik oder Fußball sprechen.

Die Leidenschaft ist zumindest die Gleiche. Damals bei MTV haben wir mit unseren täglichen EM- und WM-Camps versucht, Popkultur mit Fußball zu verbinden. Das waren fast schon zarte Versuche, jetzt ist die Aufgabe natürlich eine andere, größere. Ich möchte Fußball auf keinen Fall nur auf Lifestyle und Popkultur reduzieren, dafür nehme ich den Sport zu ernst. Aber eine gewisse Leichtigkeit schadet nie. Aber wissen Sie, was mich fast am meisten begeistert an dem Job?

Na los!

Diese Daten, die wir zur Vorbereitung, während und gleich nach den Spielen bekommen. Diese ganzen Statistiken, wie viel und schnell ein Spieler gelaufen ist, welche Mannschaft wie oft und wo den Ball hatte und so weiter. Herrlich! Diese Zahlen sauge ich förmlich auf - ich muss wohl wirklich ein Fußball-Nerd sein. (lacht)

Sie sollen selbst ein gar nicht so schlechter Spieler gewesen sein.

Joa. Ich habe im Verein gespielt und wollte wie so viele Jungs Profifußballer werden, letzten Endes hat mein Körper dabei aber nicht richtig mitgemacht. Seitdem bin ich eben leidenschaftlicher Passivfußballer...

Muss gegen den Ruf eines Retortenklubs ankämpfen: Der FC Ingolstadt, hier bei der Aufstiegsfeier im Sommer. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

...und Fan des FC Bayern.

Das war ich schon viel früher. Ingolstadt war aus welchen Gründen auch immer leider nie eine Fußballstadt. Auch als der MTV und der ESV in der zweiten Liga gespielt haben, hatten die Klubs Probleme, Fans in ihre Stadien zu bekommen. Die Ingolstädter sind lieber zum Eishockey gegangen. Wer damals Fußball mochte und aus Ingolstadt kam, wurde entweder Fan vom Club, der Löwen oder eben von den Bayern. Mein Vater ist Bayernfan, ich hatte also gar keine andere Wahl - Gott sei Dank!

Der ESV Ingolstadt ist 2004 mit dem MTV zum FC Ingolstadt verschmolzen. Neben dem Kabarettisten Günter Grünwald und Ministerpräsident Horst Seehofer werden Sie vom Umfeld des Klubs gerne als bekanntester Sympathisant des Aufsteigers genannt. Oder doch vereinnahmt?

Nein, das stimmt schon. Natürlich mag ich die Schanzer. Ich komme ja aus Manching, vom Haus meiner Eltern kann ich zu Fuß in den Sportpark laufen. Ich habe mich wahnsinnig über ihren Aufstieg und ihren unglaublich erfolgreichen Start in die Bundesliga gefreut und fiebere bei ihren Spielen nicht erst seit dem Aufstieg total mit.

Obwohl beim FCI immer der Vorwurf Retorten- und Werksklub mitschwingt?

Als sie letztes Jahr auf dem Weg in die Bundesliga waren, habe ich hier in Berlin im Bekanntenkreis sehr oft über den FCI gesprochen. Da haben einige auch immer gelästert. "Wie kann man nur Fan von Ingolstadt sein? Auch nicht besser als RB Leipzig oder Hoffenheim" und so weiter. Aber das ist totaler Blödsinn. Ich bin Fußball-Traditionalist und - Romantiker und komme aus Ingolstadt. Ich kann den FC Ingolstadt mögen, da gilt einfach das Geburtsrecht. Ich finde aber, dass auch Nicht-Ingolstädter den Klub sympathisch finden können.

Moderierte früher Musik und Popkultur auf MTV: Moderator Markus Kavka. (Foto: Christian Marquardt/Getty Images)

Wieso?

Weil die Leute dort versuchen, langsam etwas aufzubauen. Weil es ein bodenständiger, bescheidener Klub ist. Weil Trainer Ralph Hasenhüttl ein Wahnsinns-Typ ist. Weil er und auch Sportdirektor Thomas Linke und die anderen Verantwortlichen auf mich sehr kompetent wirken und eben nicht mit Millionen um sich werfen. Ingolstadt hat den Aufstieg mit einem ziemlich niedrigen Etat geschafft und pflegt auch in der Bundesliga sein Underdog-Image. Für mich ist das alles hochsympathisch und genau der richtige Weg. Und von wegen Werksklub: Audi ist nun mal der wichtigste Arbeitgeber in Ingolstadt; dass die den Klub ein Stückweit fördern, empfinde ich eher als Zeichen der Wertschätzung für die Stadt und die Arbeit der handelnden Personen. Wie ist denn mittlerweile die Stimmung im Stadion?

Besser geworden. Die Zuschauer wirken durchaus begeisterungsfähig, aber als zum Beispiel Dortmund zu Gast war, hat man fast nur die gehört.

Das ist ja bei vielen anderen Klubs nicht anders. Aber nochmal: Ingolstadt war einfach keine Fußballstadt. Bestimmte Dinge müssen wachsen. Der FC Ingolstadt muss sich seine Fans und auch seine eigene Fankultur erarbeiten.

Wie?

Indem die Mannschaft weiter so leidenschaftlichen Fußball spielt und man einige Jahre vergehen lässt. Natürlich braucht das Zeit und natürlich ist das nicht leicht. Ich sehe das ja an meiner eigenen Familie. Mein Neffe hatte letztens eine Einladung zum Probetraining beim FCI - und hat abgesagt. Weil eben nicht Bayern gerufen hat. Ich denke, das ist sicherlich ein Schlüssel: Sobald die ersten eigenen Jugendspieler in der ersten Mannschaft auftauchen, steigt automatisch die Identifikation der Ingolstädter mit ihrem Klub. Dann kommen auch die Jugendlichen ins Stadion, um ihre Kumpels anzufeuern.

© SZ vom 11.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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