Marcos Senna zum Duell Spanien gegen Italien:"Sie fürchten uns mehr als wir sie!"

Germany's Ballack and Spain's Senna jump up for ball during Euro 2008 final in Vienna

Im Duell mit Michael Ballack: Marcos Senna springt im EM-Finale 2008 zum Kopfball.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Der gebürtige Brasilianer gewann mit Spanien 2008 die EM. Und hatte da auch sein Erfolgserlebnis gegen Italien. Hier spricht er über die Neuauflage.

Von Javier Cáceres

Marcos Senna regierte beim EM-Triumph der Spanier 2008 im defensiven Mittelfeld. Der gebürtige Brasilianer, der 2006 zusätzlich die spanische Staatsbürgerschaft annahm, bestritt 28 Länderspiele für seine zweite Heimat. Im SZ-Interview schaut er voraus auf das Achtelfinale der Spanier am Montagabend gegen Italien.

SZ: Herr Senna, am Montagabend spielt Spanien gegen Italien, es steigt die Neuauflage des Finales von 2012 und des Viertelfinales von 2008. Stehen wir vor der Partie der überzeugendsten Mannschaften dieser EM?

Marcos Senna: In meinen Augen ja. Italien ist eine Mannschaft mit enorm viel Turniertradition, sie hat viele Titel im Rücken und spielt in Frankreich ein wirklich gutes Turnier. Spanien ist nicht nur der aktuelle Champion, sondern ist seit dem EM-Sieg von 2008 etabliert. Es ist ein vorweggenommenes Finale.

Das Duell kommt deshalb zustande, weil Spanien das dritte Gruppenspiel gegen Kroatien mit 1:2 verlor. Wie sehr lastet diese Pleite auf der Psyche der Spanier?

Das war ein schwerer Schlag. Aber diese Mannschaft ist imstande aufzustehen, sie hat das schon unter Beweis gestellt. Wir hätten alle gern das Duell mit Italien vermieden. Aber vielleicht hat es etwas Gutes. Ein Sieg gegen Italien würde uns für die folgenden Aufgaben enorm viel Kraft geben.

Worauf führen Sie die Pleite Spaniens gegen Kroatien zurück?

Spanien war in den ersten beiden Spielen sehr überlegen und hatte auch gegen Kroatien mehr Ballbesitz. Wir hätten das Spiel töten müssen. Die Chancen waren da. Aber dann kam der Konter. Manchmal verzeiht dir der Fußball nicht.

In Spanien wird debattiert, ob der Mannschaft die Frische fehlt. Beging Trainer Vicente del Bosque einen Fehler, als er sich entschied, drei Mal die selbe Startelf aufzubieten?

Wenn Del Bosque Änderungen vorgenommen und wir verloren hätten, würden wir jetzt darüber reden, ob er nicht weiter der Siegermannschaft hätte vertrauen müssen. Die ersten beiden Spiele waren wirklich sehr gut, es gab keine Notwendigkeit, zu wechseln. Je häufiger sie zusammenspielen, desto besser.

Sie haben del Bosque als Nationaltrainer erlebt. Wie wird er auf die Kroatien-Niederlage reagiert haben?

Del Bosque ist ein Phänomen. Ganz abgesehen von der Ruhe, die er ausstrahlt, ist sein Umgang mit den Spielen großartig. Er hat immer alles im Griff. Vor allem hat er sehr klare fußballerische Ideen. Das werden wir auch gegen Italien sehen.

Bei der EM 2008 in Österreich und der Schweiz waren Sie unter Luis Aragonés der einzige defensive Mittelfeldspieler vor der Abwehr. Del Bosque hat eigentlich bevorzugt mit zwei "Sechsern" gespielt. Jetzt ist Sergio Busquets vom FC Barcelona in einem 4-3-3-System wieder der einzige Sechser. Was bevorzugen Sie?

Ich würde jetzt nicht wechseln, weder das Konzept noch das System. Auch deshalb nicht, weil ich davon ausgehe, dass sich die Italiener an Spanien orientieren werden. Ich glaube, dass sie uns mehr fürchten als wir sie. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass wir nach 2008 noch mal gegen sie verloren hätten.

Sie spielen auf den Viertelfinalsieg bei der EM in Österreich an. Spanien siegte in Wien im Elfmeterschießen. Mal von den bilateralen Beziehungen zu Italien abgesehen - welche Bedeutung hatte dieses Spiel für Spanien?

Es war damals ein wirklich wichtiger Einschnitt in der Geschichte unseres Fußballs, weil wir eine unheimliche Serie beendeten. Spanien scheiterte bei Turnieren zuvor immer im Viertelfinale, es war wie ein Fluch. Den hatten wir endlich überwunden. Und wir alle wussten, wie wichtig das war. Dementsprechend wurde auch gefeiert: als ob wir den Titel schon gewonnen hätten. Das war mindestens so intensiv wie nach dem echten Finalsieg mit 1:0 gegen Deutschland. Ein wundervoller Wahnsinn.

War der Sieg gegen Italien der Schlüssel auf dem Weg zum EM-Titel?

Ich denke ja. Bis zu dem Spiel hatten wir sehr gute Partien abgeliefert. Das Spiel gegen die Italiener war allerdings sehr ausgeglichen. Erst danach waren wir im Halbfinale und im Finale gegen Deutschland unseren Gegnern wieder überlegen. Das hat natürlich mit dem Selbstvertrauen zu tun, dass wir daraus schöpften, endlich mal ein Halbfinale erreicht zu haben.

Sie haben damals gegen Italien den dritten Elfmeter schießen müssen. Gegen Gianluigi Buffon, der mit seinen 38 Jahren immer noch im italienischen Tor steht, auch an diesem Montag in Saint Denis.

Bewundernswert. Er war schon damals ein Phänomen und ist es immer noch. Der Elfmeter damals? Das war ein schwerer Gang. Man kann noch so viel Erfahrung haben: Die Nerven sind da. Und dann steht dort auch noch Buffon! Aber ich hatte großes Selbstvertrauen, weil ich damals bei Villarreal eine gute Saison gespielt hatte. Ich hatte am Tag zuvor mit Pepe Reina trainiert, unserem damaligen Ersatztorwart. Dass ich getroffen habe, war großartig.

Sie sind mit 39 Jahren nicht sehr viel älter als Buffon und haben im vorigen Jahr bei Cosmos New York noch eine tragende Rolle gespielt. Mal ehrlich: Reizt es Sie nicht, noch einmal mitzuspielen?

Ich spiele ja noch mit: Mein Sohn stellt mich auf der PlayStation immer auf. Aber im Ernst: Ich genieße es, jetzt auf der Tribüne oder vor dem Fernseher zuzuschauen. Xavi ist zwar aus der Nationalelf zurückgetreten, doch er könnte der Mannschaft vielleicht weiterhelfen. Aber ich bestimmt nicht mehr.

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