Manuel Akanji:Prototyp der Moderne

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Sein Weg wird von schwärmerische Prognosen begleitet: Manuel Akanji. (Foto: Arnd Wiegmann/Reuters)

Dortmunds Innenverteidiger Akanji gilt als Hoffnungsträger des Schweizer Nationalteams vor der WM in Russland. Weil er im Kopf so schnell ist wie mit den Beinen sehen in die Experten schon jetzt zu Hohem berufen.

Von Thomas Schifferle, Feusisberg

Auf dem Unterarm steht als Tattoo: "Prove them wrong". Zeig ihnen, dass sie falsch liegen. Auf seinem Instagram-Profil findet sich der Spruch: "Ich versuche es besser als gut zu machen." Und nicht vergessen hat Manuel Obafemi Akanji, der Sohn eines Nigerianers und einer Schweizerin, was während seiner Zeit beim FC Basel auf einem Papier in seinem Spind stand: "Harte Arbeit schlägt Talent, wenn Talent nicht hart arbeitet."

23 Jahre alt wird Akanji, der mittlerweile bei Borussia Dortmund spielt, am 19. Juli, der Junge aus Wiesendangen, einem Dorf bei Winterthur in der Schweiz. Er hat es schon recht weit gebracht. Darum sitzt er an diesem Mittwoch auf einer Terrasse in Feusisberg, weil sich ein Teil der Schweizer Nationalmannschaft hierher zur Einstimmung auf die WM zurückgezogen hat.

Er wird einer der 23 Spieler sein, die der Trainer Vladimir Petkovic mit nach Russland nimmt. Diese Prognose ist nicht gewagt. In der Hierarchie der Innenverteidiger sind Johan Djourou und Fabian Schär zwar noch über ihm, aber Akanji steht bereit, wenn einer von ihnen unpässlich ist. Er ist der Spieler, dem die Zukunft im Alpenland gehört.

In Dortmund geriet er in ein schwieriges Umfeld

Schwärmerische Prognosen begleiten seinen Aufstieg. Georg Heitz, der ihn 2015 zum FC Basel holte, als er da noch Sportchef war, erkennt in ihm den künftigen europäischen Top-Verteidiger. Marco Streller, der Nachfolger von Heitz, sieht Akanji irgendwann bei einem der Top-5-Klubs Europas, einem der Größenordnung von Akanjis Lieblingsverein Manchester United. Und als in diesen Wochen in der Schweiz die Gründe für den verlorenen Meistertitel des FC Basel analysiert wurden, hieß es gerne: Der Klub sei im Winter nicht auf Akanjis Wechsel nach Dortmund vorbereitet gewesen.

"Es ist ein gutes Zeichen für mich, dass ich nicht so leicht zu ersetzen bin", sagt er. "Aber am Ende ist es meine Karriere. Ich muss für mich schauen, was am besten ist." Das hat er mit 20 schon getan, als er noch für Winterthur in der zweiten Schweizer Liga verteidigte, dann aber der Topklub FC Basel rief. Er wechselte zum damaligen Meister, weil er sich für die neue Aufgabe bereit fühlte. Und letzten Winter ist er mit der Überzeugung in die Bundesliga gewechselt, dass er für die WM bereit ist, wenn er sich in Dortmund durchsetzt.

Dabei geriet er allerdings in ein schwieriges Umfeld. Die Borussia ächzte und stöhnte, weil sie auch unter Aushilfstrainer Peter Stöger nicht zur Ruhe fand. Sie schied in der Europa League aus, verlor in München 0:6 oder das Derby bei Schalke 0:2 und holte aus den letzten drei Partien nur noch einen Punkt. Die eigenen Fans waren zum Teil gegen das Team. Dass sich das trotzdem gerade noch so für die Champions League qualifizierte, war noch das Beste an dieser Saison. Da hilft es Akanji, dass er gelernt hat, das Negative auszublenden oder schnell zu vergessen: "Es bringt nichts, wenn man zu lange an einen Fehler denkt. Das verunsichert nur."

Bei der Borussia ist keiner so schnell wie Akanji

Wer mit ihm redet, bekommt schnell mit, dass er mit reichlich Selbstvertrauen ausgestattet ist. Er sagt, das sei eine Eigenschaft, die er halt habe. Natürlich besteht die Gefahr, dass daraus Übermut oder gar Überheblichkeit wird. Akanji kann damit nicht viel anfangen. Lieber sagt er: "Ich weiß, ich habe noch viel zu lernen. Ich mache nichts, was ich nicht kann. Ich weiß mich einzuschätzen, zumindest habe ich dieses Gefühl."

Mit 11 wechselte Akanji von Wiesendangen nach Winterthur, er war ein flinker Flügelspieler. Als die Kollegen weiter wuchsen, blieb er körperlich stehen. Aus dem Flügel- wurde ein Außen- und dann ein Innenverteidiger. 16, 17 war er, als dann auch er seinen Wachstumsschub bekam. Inzwischen ist er ein Verteidiger, der nicht nur das Spiel mit seinen Pässen eröffnen kann, sondern auch schnell ist. Messungen in Dortmund haben ergeben, dass ihm keiner davonrennt. 35 Stundenkilometer wurden als Höchstgeschwindigkeit gemessen. Akanji entspricht so dem Prototyp des modernen Verteidigers.

Er ist aber auch noch ein gutes Stück davon entfernt, ausgereift zu sein. Das Stellungsspiel, das Timing beim Kopfball, die Technik - überall kann er noch zulegen, vor allem, wenn es nach Dortmund noch weiter aufwärts gehen soll. Aber antreiben, um sich zu verbessern, muss ihn keiner. Er ist nicht nur überzeugt von sich, er ist auch willensstark.

Vor einem Jahr debütierte Akanji im Nationalteam, WM-Qualifikation gegen die Färöer. Bei fünf Einsätzen ist er inzwischen angelangt, nun also kommt die WM. Erwartungen hat Akanji keine, eher Hoffnungen. Dass er zum Einsatz kommt. Dass die Mannschaft an die Chance glaubt, selbst Brasilien zu besiegen. Dass sie die Achtelfinals erreicht. Und wer weiß, was dann noch kommen kann. "Prove them wrong" steht auf seinem Unterarm.

© SZ vom 03.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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