Major League Soccer:In Georgia gereift

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Als bester Nachwuchsspieler der US-amerikanischen Fußball-Liga ​​​​​​ ausgezeichnet: Julian Gressel. (Foto: Danny Karnik/dpa)

Julian Gressel aus Neustadt an der Aisch ist in der MLS zum Neuling des Jahres gewählt worden. Seit vier Jahren kickt der frühere Landesligaspieler in den USA. Er hofft, als Bundesligaspieler zurückzukehren.

Von Maximilian Flaig, Atlanta/München

Vor vier Jahren verließ Julian Gressel seine mittelfränkische Heimatstadt Neustadt an der Aisch eigentlich nur, weil er den Fußball und die Ausbildung vereinen wollte. Was in Deutschland für den ehemaligen Jugendspieler der SpVgg Greuther Fürth nicht möglich war, sollte ihm das Providence College im Bundesstaat Rhode Island bieten. Es erwuchs eine Sportgeschichte daraus, wie sie sich im Grunde nur die US-Amerikaner ausdenken können. Der frühere Landesliga-Fußballer Gressel startete als Universitätsfußballer durch bis in die US-amerikanische Profiliga MLS, in die er Anfang des Jahres wechselte, und wurde dort in der vergangenen Woche von Spielern, Trainern und Medien zum besten Nachwuchsspieler des Landes gewählt.

Gressel hat es geschafft. Und nicht nur er, auch sein Verein, der Atlanta United FC, der erst vor einem Jahr gegründet wurde, übertraf wie Gressel die Erwartungen: Atlanta schloss die Liga als Vierter ab und qualifizierte sich damit für die Playoffs. "Am letzten Spieltag hatten wir sogar die Chance, Zweiter in der kompletten Liga zu werden", berichtet Gressel immer noch euphorisch.

Obwohl es ihm zwar lieber gewesen wäre, wenn Atlanta am Ende den MLS Cup geholt hätte, freut ihn die positive Beurteilung seiner Entwicklung. In den Playoffs verlor Atlanta unglücklich gegen Columbus Crew im Elfmeterschießen. Dennoch zieht der 23-Jährige Gressel ein positives Saisonfazit: "Für den Verein wie auch für mich persönlich war es ein richtig schönes Jahr, auf dem wir aufbauen können."

Dass man in Atlanta in die Zukunft blickt, zeigt sich bereits am Spielerkader, in dem die meisten Stammspieler noch jünger als 25 Jahre alt sind. Nach dem gängigen Klischee landen immer noch viele etablierte US-Clubs nur dann in den europäischen Schlagzeilen, wenn mal wieder ein alternder Kicker wie Bastian Schweinsteiger sich dazu entscheidet, seine Karriere in den Staaten ausklingen zu lassen. In Atlanta gehen sie einen anderen, nachhaltigeren Weg.

Mehr als 40 000 Zuschauer zieht Atlanta bei jedem Heimspiel an

Gressel gehörte auf Anhieb zur Stammelf von Coach Gerardo Martino, der bereits den FC Barcelona und sein Heimatland Argentinien trainierte. Martino sei von Beginn an in die Personalplanung involviert gewesen und habe deshalb "einen riesen Anteil an unserem Erfolg", sagt Gressel, der im Mittelfeld im Laufe des Jahres auf allen Positionen eingesetzt wurde. Sein Verein teilt sich das erst im August eröffnete und 70 000 Plätze umfassende Stadion mit dem Footballteam Atlanta Falcons. Besitzer beider Sportmannschaften ist der Milliardär Arthur Blank. Als vor ein paar Jahren die MLS bekannt gab, in den Südosten des Landes expandieren zu wollen, war das Projekt Atlanta United geboren.

Ohne Blanks Geld würde es in der Hauptstadt von Georgia heute wahrscheinlich keinen Fußballklub geben. Dass der Verein seit seinem ersten Heimspiel einen Zuschauerschnitt von über 40 000 aufweisen kann, ist jedoch außergewöhnlich. Es sind die Fans, die Atlanta zu einem besonderen Klub machen: "Hier in Atlanta herrscht eine riesen Euphorie. Man spürt, dass sich die Leute immer gewünscht haben, dass ein Fußballverein gegründet wird. Die Menschen hier haben schon immer Klubs in anderen Städten und Ländern verfolgt und plötzlich haben sie ihren eigenen", erklärt Gressel.

Man könnte meinen, dass die Amerikaner das plötzliche Fußballfieber gepackt hätte, aber das wäre eine Spur zu romantisch. In Wahrheit leben in Atlanta und dessen Metropolregion so viele lateinamerikanische Einwanderer wie kaum woanders im Südosten. Laut der Atlanta Regional Comission wird der Bevölkerungsanteil der Weißen bis 2040 auf ein Drittel sinken, während der Anteil der Latinos weiter steigen wird. Und da Fußball südlich von Texas zu den beliebtesten Sportarten gehört, erfreuen sich viele Bewohner mit lateinamerikanischen Wurzeln seit diesem Jahr an Livespielen in ihrer Stadt. Die Gründung von Atlanta United ist somit auch als Folge einer demografischen Entwicklung zu sehen, dessen wirtschaftliches Potenzial die MLS erkannt hat.

Gressels Traum bleibt ein Wechsel in die deutsche Bundesliga

Gressel gibt zu, dass ihn die vielen Zuschauer anfänglich etwas nervös gemacht haben - hatte er im College doch bloß vor maximal 8000 gespielt. "Aber die älteren Spieler, die das Ganze schon kennen, haben mir sehr geholfen", sagt er. "Nach drei, vier Spielen hat man sich auch schon daran gewöhnt." Diese Begeisterung bei Fans und Verantwortlichen, lässt Gressel sogar daran glauben, dass der Fußball auf lange Sicht mit American Football oder Basketball, bei den Hawks spielt Dennis Schröder, in der Stadt konkurrieren kann. "Die Fan-Szene wird immer größer", sagt er und fügt hinzu: "Die Stimmung bei uns ist jetzt schon besser als bei den Atlanta Falcons!"

Gressel hätte allen Grund dazu, seine Auszeichnung zum Rookie of the Year, den schönsten Moment der Saison zu nennen. Stattdessen wählt der 23-Jährige sein Profi-Debüt gegen die New York Red Bulls: "Meine Mutter ist dafür extra in die USA geflogen. Das war definitiv ein Tag, den ich nie vergessen werde", erzählt er. Die deutsche Bundesliga bleibe zwar ein Traum von ihm, "aber ich bin nicht unglücklich, wenn ich hier zehn oder zwölf Jahre spielen darf", sagt Gressel. Die Verantwortlichen von Atlanta hätten sicher nichts dagegen. Für den Verein wie auch für Gressel hat das Abenteuer MLS gerade erst begonnen.

© SZ vom 12.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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