Mainz 05:Sehnsucht nach Betriebsfrieden

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Am Rednerpult brachte sich Stefan Hofmann als neuer Mainz-Präsident in Position – am Samstag gegen den FC Bayern sitzt er erstmals auf der Tribüne. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Der Klub will seine Führungskrise mit dem neuen Chef Stefan Hofmann beenden.

Von Tobias Schächter, Mainz

Bevor es so richtig losgeht, hat Stefan Hofmann in dieser Woche noch einmal Kraft getankt: Ein paar Tage Skifahren mit Freunden in Südtirol, lange geplant, das gönnte sich der neue Vereins- und Vorstandsvorsitzende des FSV Mainz 05. Am Samstag aber wird der 54-Jährige erstmals als Chef ein Heimspiel auf der Tribüne verfolgen - und es geht gleich gegen den großen FC Bayern. Eine harte Prüfung für die Mainzer, die mit 20 Punkten auf Platz 15 stehen, nur drei Zähler vor Bremen auf dem Relegationsplatz. Hofmann sagt: "Natürlich brauchen wir Punkte, aber ich wäre gegen die Bayern auch zufrieden, wenn die Leute nach einer knappen Niederlage begeistert von der Leistung unseres Teams nach Hause gehen und sagen: Jawohl! Das war Mainz 05, wie wir es kennen."

Mainz 05 soll wieder Mainz 05 sein - nicht nur auf dem Platz. Fast zwei Jahre Grabenkämpfe und Führungschaos beschädigten das frühere Image des Klubs als ein sympathischer, familiärer Verein. Hofmann will nun "endlich" wieder für "Ruhe und Kontinuität" sorgen.

Erst vor zehn Tagen ist der Familienvater zum Vorstandsboss gewählt worden. Bis vorigen Sommer arbeitete er zwölf Jahre als Trainer und Sportlicher Leiter des Nachwuchsleistungszentrums von 05. Dann wollte er einen Perspektivwechsel, nachdem er im Nachwuchsbereich an "allen Rädern gedreht hatte". Doch richtig weg war er nie. Hofmann beobachtete Gegner für den neuen Cheftrainer Sandro Schwarz, den er einst im NLZ gefördert hatte. Sein Wechsel vom Spielebeobachter zum Klubboss war aber nicht geplant: "Irgendwann im Dezember", sagt Hofmann, "habe ich mir gesagt: Mensch, so geht es nicht weiter im Klub. Ich kandidiere!"

Mainz 05 befand sich in einer Führungskrise, seit der langjährige Manager Christian Heidel nach Schalke wechselte und der ehrenamtliche Präsident Harald Strutz nach einer quälend langen Debatte um seine verheimlichte Bezahlung nach 25 Jahren zurücktrat. Der Umstrukturierungsprozess verlief schmerzhaft, ein Aufsichtsrat wurde erstmals installiert und im Juni ein neuer Präsident gewählt. Doch die Amtszeit von Johannes Kaludza dauerte nur sechs Monaten. Der Mann mit der roten Hose machte sich und den Klub durch wirre Amtsführung lächerlich und trat im Dezember zurück, weil niemand mehr mit ihm zusammenarbeiten wollte.

Nun wählten die Mitglieder am 21. Januar Hofmann - im ersten Wahlgang. Durchgesetzt hat er sich gegen Jürgen Doetz, Vertreter der langjährigen Führungsspitze um Strutz, und Aufsichtsrätin Eva-Maria Federhenn, die als Kandidat der Ultras und des machtbewussten Aufsichtsratsbosses Detlev Höhne galt. Der eloquente Hofmann hielt sich aus den Grabenkämpfen heraus und steht nun für den Ausgleich, den dieser Klub so dringend braucht.

Wenn die Bayern kommen, ist das Stadion voll - sonst oft nicht mehr

Seit Donnerstag ist der Vorstand komplett, neben dem ehrenamtlichen Chef Hoffmann sowie Sportvorstand Rouven Schröder ist künftig der ehemalige DFL-Funktionär Jan Lehmann, 47, für das Kaufmännische verantwortlich. Hofmann glaubt, dass auch die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Vorstand besser laufen werde, und "jedes Gremium sich auf seine Aufgaben konzentriere". Doch nicht nur der innerbetriebliche Frieden hat durch die Führungskrise gelitten. Die Zuschauer rennen dem Klub nicht mehr selbstverständlich die Bude ein. Spiele gegen Dortmund, Schalke und Bayern sind ausverkauft, zum Pokalhit gegen Stuttgart vor Weihnachten aber kamen nur 26 000 in die 34 000 Zuschauer fassende Arena, in die der Klub 2011 von der kleineren Kultstätte am Bruchweg gezogen ist.

Mainz spielt im neunten Jahr in Serie in der Bundesliga, nicht jedes Spiel lässt sich da noch als großes Abenteuer verkaufen. Hinzu kommt ein erhöhtes Anspruchsdenken bei einigen Fans. Immer öfter werden in den sozialen Netzwerken Trainer Schwarz und Manager Schröder beschimpft. Eine Minderheit sei das, glaubt Hofmann. Abstiegskampf sei nichts Ungewöhnliches für einen Klub wie 05, der im Budgetranking im unteren Drittel der Liga liegt. Das werde er klar kommunizieren, verspricht Hofmann. Man dürfe sich nicht von Ergebnissen und Emotionen zu Schnellschüssen treiben lassen: "Wenn wir das tun, dann werden wir durchgereicht."

Mainz hatte unter dem heiß geliebten Jürgen Klopp und dem kalt bewunderten Thomas Tuchel mitreißenden Fußball gespielt. Schwarz - "ein Kind dieses Klubs" (Hofmann) - ist angetreten, an dieses Erbe anzuknüpfen. Manchmal gelingt das, wie gegen Stuttgart in Pokal und Liga, beim Sieg gegen Leverkusen oder in Mönchengladbach. Doch die Elf zeigt Schwankungen. Trotz und innere Kraft waren jene Eigenschaften, die 05 zu einem Bundesligisten mit Beispielcharakter machten. Hofmann sagt: "Für Außenstehende hat unser Image gelitten, aber es ist noch da, wir müssen es nur leben." Am besten helfen Siege. Sonst wird es schwer, Ruhe zu bewahren. Auch in Mainz.

© SZ vom 02.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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