Männer-Sprint:Die Stab-Übergabe

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Martin Fourcade gewinnt das zweite WM-Gold in Oslo vor dem legendären Ole Einar Björndalen. Simon Schempp stürzt vor dem Ziel.

Von Volker Kreisl, Oslo

Zu seinem zweiten Sieg bei dieser Biathlon-WM gelangte Martin Fourcade weniger beschwingt. Sein erstes Gold in der Mixedstaffel am Donnerstag stand ja schon fest, als der Franzose seinem deutschen Gegner Simon Schempp beim letzten Anstieg distanziert hatte - Fourcade flog mit einem angedeuteten Telemark über die letzte Kuppe, er jubelte schon vor der Ziellinie. Beim Sprint aber gibt es keine Faxen vor dem Ziel, da starten mehr als 100 Athleten nacheinander im Halbminutentakt, und manchmal kommen die letzten Konkurrenten kurz vor der Dunkelheit ins Ziel. In Oslo legte Fourcade mit der Startnummer acht die Bestzeit vor, dann begann das Warten. "Es hat sehr lange gedauert", sagte er. Es war die Anstrengung nach der Anstrengung.

Fourcade saß und trippelte im Aufwärmraum und schaute auf den Monitor. Nach einer Stunde hatte sich dann einer nach dem anderen aus dem Titelkampf verabschiedet. Die jüngeren Norweger am Schießstand, die Deutschen am Schießstand und in der Loipe, und am Ende blieb nur der ältere Norweger als größter Konkurrent übrig: Silber hinter Fourcade holte Ole Einar Björndalen, der 42-jährige Rekordbiathlet errang seine 41. WM-Medaille, vor dem Ukrainer Sergej Semenov. Simon Schempp lag immerhin stramm auf Kurs für Platz vier, er stürzte aber vor dem Ziel, rappelte sich auf und kam erst als Achter über die Linie.

Zweiter, Erster, Dritter: Der Norweger Ole Einar Björndalen, der Franzose Martin Fourcade und der Ukrainer Sergey Semenov (v.l.n.r.). (Foto: Vidar Ruud/Reuters)

Auf dem Podium saßen also diejenigen, die sich jeder Veranstalter vorab gewünscht hätte. Der Beste seiner Zeit in der Mitte und der Beste der alten Zeiten gleich direkt daneben. Fourcade und Björndalen schwelgten also, lobten das faire norwegische Publikum und lobten sich gegenseitig. "Die Leute hier haben mir Kraft gegeben", sagte der Franzose. - "Fourcade ist einfach nicht zu schlagen", sagte der Norweger, "dieses Silber ist für mich wie Gold."

"Dieses Silber ist für mich wie Gold"

Die Szene wirkte bereits wie eine Stab-Übergabe. Björndalens Leistungen sind altersbedingt schwankend und es war eben doch sehr wahrscheinlich, dass er trotz seiner famosen Schieß- und Laufleistung das letzte Mal so einträchtig neben dem Kontrahenten saß. Der ist erst 27 Jahre alt, und er wird, das zeichnet sich nun ab, bei dieser WM in Norwegen endgültig zum Björndalen der Gegenwart.

Nun hat Fourcade dank dieses achten WM-Titels auch schon 46 Einzelsiege im Weltcup errungen, Björndalen bringt es auf 95 erste Plätze in der Serie. Und selbst wenn man davon ausgeht, dass Fourcade anders als Björndalen zeitig ein Leben nach dem Biathlon beginnt, bleibt ihm doch genügend Zeit, um diesen zu überholen. Zweimal Olympia sind noch locker drin, zudem diverse Weltmeisterschaften. Und die WM von Oslo hat ja gerade erst begonnen.

Anders als Björndalen musste sich der Südfranzose einst gegen den Sport-Mainstream seines Landes durchsetzen, als er die Biathlon-Laufbahn einschlug. In Norwegen lernt man als Kind zwangsläufig das Langlaufen, in Frankreich findet der Winter-Zweikampf nach wie vor im Nebenprogramm statt, viel Geld ist damit nicht zu verdienen. Wer sich dennoch in der Weltspitze durchsetzt, der muss allerbeste körperliche Voraussetzungen haben - und Idealist sein.

Biathleten in Frankreich müssen Idealisten sein

Fourcade hatte Talent für alle möglichen Sportarten, das haben seine Trainer im Sportzentrum von La Llagonne in den Pyrenäen früh erkannt. Für das in Frankreich eigentümliche Gewehr-Skaten begeisterte er sich, weil es etwas Besonderes darstellte. Auf großer Bühne erschien er erstmals 2010 in Vancouver, er holte dort Olympiasilber im Massenstart. Bei den Weltmeisterschaften darauf und bei Olympia in Sotschi steigerte er sich von Mal zu Mal, vor allem, weil er immer mehr Kraft aufbaute und seinen Laufstil optimierte. Insgesamt holte er seither 19 Medaillen bei Großveranstaltungen, in Oslo kamen nun Nummer 20 und 21 hinzu.

Björndalen war mit 27 noch nicht so weit.

© SZ vom 06.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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