Männer-Finale:Zu viel Drama

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Nach den spektakulär langen Halbfinals von Wimbledon fordern einige Tennisprofis nun eine Regeländerung beim Tie-Break im entscheidenden fünften Satz.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Wimbledon 2018, das war das Turnier der tausend Dramen und Marathon-Spiele. Die letzten Tage in London lieferten eine packende Action-Serie: mit den Fünfsatz-Epen zwischen Kevin Anderson und Roger Federer (13:11 im fünften Satz), zwischen Rafael Nadal und Juan Martín del Potro und dem an Klasse alles überbietenden Drama zwischen Nadal und Novak Djokovic. Deren Halbfinale hatte am Freitagabend ja erst so spät begonnen, weil sich das erste Semifinale zwischen Anderson und John Isner schier ewig hingezogen hatte, ehe Anderson 7:6 (6), 6:7 (5), 6:7 (9), 6:4 und 26:24 gewann. Anderson, 32, aus Johannesburg, schon lange in den USA wohnhaft, ist der erste Südafrikaner im Finale von Wimbledon seit 1921 - aber richtig freuen konnte er sich nach den Strapazen der Isner-Partie zunächst nicht.

Der 2,08 Meter große Isner, 33, aus Dallas, hat nun an den beiden längsten Matches im All England Club mitgewirkt, 2010 hatte er den Franzosen Nicolas Mahut 70:68 im fünften Satz niedergerungen. "Ich fühle mich schrecklich", sagte Isner diesmal, er hatte körperliche Schmerzen überall. Auch deshalb forderte er, wie so viele jetzt, die Einführung eines Tie-Breaks im fünften Satz: "Ich persönlich denke, eine Möglichkeit könnte sein, ihn ab zwölf beide zu spielen."

Für Anderson, noch die Nummer sieben der Weltrangliste, ist es bereits das zweite Grand-Slam-Finale bei den letzten vier Starts. "Das war weit weg von einem normalen Match", sagte er, "auch taktisch." Er plädierte ebenso für den Tie-Break, im Gegensatz zu Isner blieb ihm aber die Vorfreude aufs Finale: "Am Ende des Tages habe ich es ins Endspiel von Wimbledon geschafft, der halbe Traum ist schon wahr."

Da es nach dieser Sechs-Stunden-Partie dann schon früher Abend war, wurde beschlossen, das Dach für Djokovic und Nadal zu schließen, um wenigstens anfangen zu können. Als die beiden Spieler die Arena betraten, war fast klar, dass sie ihr Match nicht zu Ende würden spielen können. Aufgrund städtischer Auflagen müssen Wettkämpfe im All England Club um 23 Uhr abgebrochen werden. Djokovic hatte das lange Warten unter anderem mit dem Werfen von Murmeln verbracht. Er begann dann stark und gewann den ersten Satz. Nadal steigerte sich, Satz zwei ging an ihn. Der dritte Durchgang war auf höchstem Niveau, und ehe die beiden den Platz verließen, sicherte sich Djokovic nach Abwehr von drei Satzbällen den Tie-Break 11:9.

Am Samstag fand vor dem Frauenfinale die Fortsetzung statt, schon setzten Debatten ein, ob es gegenüber den Frauen fair und angemessen war, ein Männer-Match zu platzieren, dessen Dauer ungewiss war. An der Terminierung änderte sich aber nichts, und so hetzten sich die Männer wieder über den Rasen. Das Dach war erneut geschlossen, weil unter den selben Bedingungen weitergespielt werden musste. Später äußerte Nadal, dass er nicht glücklich mit der Entscheidung war, dass das Dach bei der Fortsetzung geschlossen blieb. "Ihr entscheidet, ob das fair ist oder nicht", sagte er zu den Reportern: "Ich denke, es war nicht richtig, aber das ist nur meine Meinung." Djokovic, das implizierten seine Worte, war im Vorteil. Aber er lobte auch: "Wie auch immer, es gab so viele Aspekte in diesem Match, viel gutes Tennis von uns beiden, da spielt das Dach keine Rolle." Immerhin ging es aus Djokovic' Sicht deutlich schneller als bei Anderson - schon bei einer 8:7-Führung im fünften Satz bot sich dem Serben ein Matchball (den Nadal frech mit einem Stopp abwehrte). Wenige Minuten später gelang Djokovic das einzige Break des fünften Satzes zum 6:4, 3:6, 7:6 (9), 3:6, 10:8-Sieg - nach nur 5:14 Stunden.

© SZ vom 16.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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