Lothar Kobluhn:Endlich ausgezeichneter Torjäger aus Oberhausen

Lesezeit: 4 min

An seinem 65. Geburtstag bekommt Kobluhn die begehrte Trophäe "Torjägerkanone" verliehen - mit 36 Jahren Verspätung.

Rainer Schäfer

SZ: Herr Kobluhn, Sie bekommen heute, an Ihrem 65. Geburtstag, die Torjägerkanone. Mit 36 Jahren Verspätung.

Lothar Kobluhn ist 1971 in Redestreik getreten, weil ihm die Auszeichnung "Torjägerkanone" verweigert wurde. (Foto: Foto: imago)

Lothar Kobluhn: Das ist der eigentliche Höhepunkt meiner Karriere als Fußball-Profi. Ich empfinde eine tiefe innere Freude. Zumal ich in den vergangenen Wochen nicht mehr daran geglaubt habe, dass die Verleihung tatsächlich zustande kommt. Ich war schon so genervt, dass ich gesagt habe: Die können sich ihre Kanone sonstwo reinschieben.

SZ: Was hat Sie so verärgert?

Kobluhn: Ich habe mich mit den Verantwortlichen von Rot-Weiß Oberhausen überworfen, meinem Stammverein. Ich hatte das Gefühl, dass man sich auf meine Kosten profilieren möchte. Ursprünglich sollte ich im Cabrio mit der Kanone in der Hand eine Runde durch das Stadion Niederrhein gefahren werden. Jetzt feiere ich eben im kleinen Kreis. Aber in ganz Oberhausen ist die Verleihung seit Wochen das Gesprächsthema. Freunde haben mir neulich eine Kanone aus Marzipan geschenkt, damit ich die Zeit bis dahin gut überstehe. Ich habe mich sogar mit dem Magazin kicker ausgesöhnt und nach 36 Jahren wieder ein Interview gegeben.

SZ: Sie sind 1971 in Redestreik getreten.

Kobluhn: Ich hatte mich mit Karl-Heinz Heimann überworfen, der damals Chefredakteur war, als mir die Torjägerkanone vorenthalten wurde. Es war seine Entscheidung, aber Interviews wollte er trotzdem von mir haben. Keinen Satz mehr habe ich mit seinem Magazin gewechselt. Alle haben ihre Kanone gekriegt, nur ich nicht.

SZ: Warum hat man sie Ihnen verwehrt?

Kobluhn: Die Bundesliga war damals in den Bestechungs-Skandal verstrickt, da hat sich Heimann einfach entschlossen, die Kanone nicht zu verteilen. Da wurden alle in Sippenhaft genommen, ich habe das als schreiende Ungerechtigkeit empfunden. Ich wurde für Schiebereien bestraft, mit denen ich überhaupt nichts zu tun hatte.

SZ: Sie spielten die Saison Ihres Lebens und wurden bestraft.

Kobluhn: Ich habe in dieser Saison 24 Tore erzielt, und das als Mittelfeldspieler. Das hat erst wieder Marek Mintal 2005 geschafft. Das letzte der 24 Tore habe ich beim 1:1 in Braunschweig geköpft, das hat uns die Klasse gesichert und mich zum Torschützenkönig gemacht: Das wichtigste Tor in meiner Karriere.

Auf der nächsten Seite: Der Vergleich mit Gerd Müller, Angebote von anderen Vereinen und 1.000 Mark für einen neuen Fernseher.

SZ: Sie haben sogar Gerd Müller hinter sich gelassen, der nur 22 Mal traf.

Kobluhn: Müller hat die Kanone im Abonnement gekriegt. Aber er hat kein Wort mehr mit mir gesprochen, nachdem ich ihn abgehängt hatte. Er hat mich immer angeschaut, als ob ich alle Torhüter bestochen hätte, um Torschützenkönig zu werden.

SZ: Sie sind danach nicht mehr als Torjäger auffällig geworden.

Kobluhn: Nach dieser Saison musste ich zweimal am Knie operiert werden. Außerdem hatten sich die Gegner auf mich eingestellt, ich habe laufend auf die Füße gekriegt.

SZ: Hatten Sie Angebote von anderen Vereinen?

Kobluhn: Immer wieder. Aus Lausanne, aus Aachen und Eindhoven. Auch Tasmania Berlin wollte mich haben, die haben dann Karl-Heinz Schnellinger verpflichtet. Ich wollte nur bei einem Klub spielen, wo ich mit dem Auto hinfahren kann. Deshalb bin ich nur noch zu Wattenscheid gewechselt. Für eine größere Karriere war ich zu bodenständig. Ich hatte ein Haus gebaut und ein Geschäft eröffnet. Ich war immer zufrieden.

SZ: Tatsächlich?

Kobluhn: Für mich war klar: Ich möchte ein Haus und einen Mercedes haben und beides habe ich gekriegt. Sportlich wäre woanders sicher mehr drin gewesen. Es stand nicht gut damals um die Nationalmannschaft.

SZ: Woanders wären Sie zum Nationalspieler geworden?

Kobluhn: Ich habe beim verkehrten Verein gespielt. Ich wurde ins Gespräch gebracht für die Nationalmannschaft, der Kobluhn schießt Tore, hieß es immer. Aber Bundestrainer Helmut Schön hat mich nie eingeladen. Ich hatte mit Peter Maaßen einen Pascha als Präsidenten, der wollte gar nicht, dass einer seiner Spieler groß herauskommt. Er hat auch nicht protestiert, als ich die Kanone nicht bekommen habe. Was wäre denn bei den Bayern los gewesen, wenn das mit Gerd Müller passiert wäre? Keiner hat sich für mich stark gemacht. Vielleicht wäre ich als Profi sogar herumgewandert, wenn ich die Torjägerkanone gehabt hätte.

SZ: Sie sind ja immer noch beleidigt.

Kobluhn: Die einzige Auszeichnung, die ich damals erhalten habe, war der "Goldene Töppen", der Berliner Wanderpokal für den Bundesliga-Torjäger. Ich bin nach Berlin geflogen, da wurde im Flugzeug durchgesagt: Herr Kobluhn, bitte den hinteren Ausgang benutzen, Sie werden erwartet. Ich habe den "Goldenen Töppen" abgeholt und 1.000 Mark, mit denen habe ich mir einen neuen Fernseher gekauft.

Auf der nächsten Seite: Eisen und Furnierholz im Wert von 350 Euro - ein Traum wird wahr.

SZ: Warum hat sich der kicker nun entschlossen, Ihnen doch noch die Kanone zu verleihen?

Kobluhn: Im vergangenen Jahr hat ein Journalist angerufen und danach gefragt, wo ich meine Kanone stehen habe und wie ich die pflege. Da habe ich gemerkt, wie es in mir brodelt und ich richtig sauer werde. Ich wollte kein Geld, sondern das, was mir zusteht. Da habe ich ein Foto von mir montiert mit dem einer Kanone und an den Kicker geschickt.

SZ: Und?

Kobluhn: Keine Reaktion. Entscheidend war der Fischhändler aus Essen, der mittwochs und samstags Brathering anbietet auf dem Wochenmarkt in Sterkrade.

SZ: Wie das?

Kobluhn: Wir sind am Fischstand ins Gespräch gekommen und er hat mir versprochen, dass er das regelt. Am 27. Oktober 2007, ein Samstag, kam dann der Brief von Chefredakteur Rainer Holzschuh: "Lieber Lothar, was lange währt, wird endlich gut", heißt der erste Satz.

SZ: Jetzt haben Sie es endlich geschafft. Sie bekommen Eisen und Furnierholz im Gesamtwert von 350 Euro.

Kobluhn: Hören Sie, es ist mir völlig egal, ob die Kanone 50 Cent oder eine Million Euro wert ist. Dass die von Ailton im Internet zum Verkauf angeboten wurde, ist eine Riesenschweinerei. Ich habe 36 Jahre lang davon geträumt, dass ich sie endlich in den Händen halten kann. Diese Kanone bekommen nur die Besten, und ich bin jetzt einer davon.

© SZ vom 12.04.2008/mb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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