Leipzigs Olympia-Beauftragter tritt zurück:Rückschlag für den Sonnenkönig

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In der Affäre um verdächtige Geschäftsgebaren hat Leipzigs Olympia-Beauftragter Burkhard Jung seinen Rücktritt erklärt.

Von Thomas Kistner

Pathetisch blieb es bis zum bitteren Ende. Er habe sich nichts vorzuwerfen, erklärte Burkhard Jung, "die Olympia-Bewerbung ist mir eine Herzenssache", trotzdem ist der Olympia-Beauftragter der Stadt Leipzig am Freitag zurückgetreten. Damit bricht der deutschen Spiele-Bewerbung für 2012 binnen nur drei Wochen bereits der vierte Spitzenmann weg; nach der Entlassung des Geschäftsführers der Leipzig 2012 GmbH, Dirk Thärichen, sowie der Amtsniederlegung der beiden GmbH-Aufsichtsräte Winkler (Landessportbundchef Sachsen) und Köhler (Olympiastaatssekretär des Freistaats). Jungs Demission ist zugleich ein schwerer Schlag für den Frontmann der deutschen Bewerbung, Wolfgang Tiefensee. Der hatte noch am Donnerstag im Rathaus wiederholt erklärt, er stünde fest hinter seinem persönlichen Olympia-Adlatus Jung. Am Freitag informierte er, unter heftigen Attacken auf seine politischen Gegner, den Stadtrat über den jüngsten Rückschlag. Mit dem aber rückt nun Tiefensee selbst, als Leipziger Sportdezernent einst Jungs Amtsvorgänger, ins Zentrum offener Fragen.

Vorhang auf für das olympische Filz-Kabarett in Leipzig: Verbrieft durch die Unterschrift des städtischen Beauftragten Jung am 3. Januar 2003, erhielt die Agentur SCI des im Zuge dieser Krise allgegenwärtigen Sportmanagers Ivan Radosevic 15 Prozent Provision auf Zahlungen der Stadt von einer Million Euro an ihre Olympia GmbH. Radosevic bestätigt den Erhalt von demnach 150.000 Euro aus öffentlichen Mitteln (insgesamt flossen laut Rechnungsstellungen an mindestens drei Firmen aus seinem Geschäftsumfeld sogar ca. 400.000 Euro für die Kandidatur Leipzigs auf nationaler Ebene). Ein nun doch als ungeheuerlich erkannter Vorgang, eingefädelt vom damaligen GmbH-Geschäftsführer Thärichen, der zuvor selbst für SCI gearbeitet hatte. Nach Aktenlage hat die Privatagentur unter anderem an Zahlungen der Wasserwerke sowie am Gesellschafteranteil der Stadt Leipzig an der GmbH partizipiert.

Drei Tage lang wendete sich Jung vehement gegen die "in der Berliner und Süddeutschen Zeitung vom 5. November gemachten Vorwürfe", die Umleitung städtischer Gelder in private Kassen autorisiert zu haben: Er habe damals gemeint, er genehmige nur eine "Sponsoren-Akquise zur Entlastung der Stadt". Dass es für diese Version keine Anhaltspunkte in der Vereinbarung gibt und die Provisionszahlungen tatsächlich erfolgten, hat Jungs Vorgesetzten Tiefensee zunächst wenig irritiert; Donnerstag immerhin attestierte er sich selbst eine "reine Weste". Nach Tagen voller Aufruhr und Ablenkungsmanöver in der Kandidatenstadt - die lokale Leipziger Volkszeitung hinterfragte am Freitag gar die Motivation für solche Aufklärungsarbeiten - hat sich der Fall Jung per Rücktritt (auch als städtischer Beigeordneter) erledigt, die Schieflage der deutschen Bewerbung aber hat zugenommen. Bundesinnenminister und GmbH-Aufsichtsrat Otto Schily entsandte seinen Staatssekretär Göttrik Wewer für einen neuerlichen Krisengipfel - offiziell: "Strategiegespräch" an diesem Samstag in Leipzig.

Zuletzt hatten sich die Beteiligten in immer größere Erklärungsnot gebracht. Radosevic lieferte dem MDR die Version, es habe sich bei den Provisionen um eine Art Verrechnung von Altlasten der Stadt gegenüber seiner Agentur gehandelt. Die habe zwischen 2000 und 2002 bei insgesamt drei Leipziger Tennisturnieren Leistungen für rund 290.000 Euro erbracht - Bandenwerbung, PR-Betreuuung etc. -, von denen Anfang 2003 noch 150.000 Euro offen gewesen seien. Das klingt schlüssig, bringt ihn jedoch selbst in Probleme, weil dann ja falsche Provisionen abgerechnet worden sein dürften.

Ungeklärt bleiben weiter einzelne Posten der in sechs Teile gestückelten Million aus der Stadtkasse, an denen der Vermittler so üppig teilhaben durfte. So wurde eine Teilzahlung von gut 322.000 Euro aus einem Cross-Border-Geschäft der städtischen Wasserwerke mit einem US-Fond beglichen, auch hier ging eine Provision von gut 60.000 Euro an die SCI. Andere Einzelposten machen nun die CDU im Leipziger Stadtrat stutzig. Zwei nicht näher benannte städtische "Verpflichtungen 2003 laut Aufsichtsratsbeschluss" belaufen sich auf jeweils 145.000 Euro - die Hauptsatzung der Stadt aber setzt fest, dass "Zahlungen ab 150.000 Euro vom Verwaltungsausschuss genehmigt werden müssen", sagt Ansbert Maciejewski, CDU-Fraktionsgeschäftsführer. Die Stadtrat-CDU beklage seit langem ein "Schattengeflecht" aus insgesamt 103 kommunalen Unternehmen und Beteiligungen, die im Bundes-Maßstab wohl einmalig sei. "Das ist Verdunkelung, das macht dich als Stadtrat wahnsinnig", sagt CDU-Fraktionsvize Achim Haas. Er verweist auf ein staatsanwaltliches Prüfverfahren, dass gegen einen (abgewickelten) städtischen Beschäftigungsbetrieb wegen der Verwendung von Fördergeldern läuft. "Tiefensee", sagt Haas, "ist hier der Sonnenkönig. Seit dem Olympia-Zuschlag kann er vor Kraft nicht mehr laufen."

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