Leichtathletik-WM in Osaka:Besiegt von der Hitze

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Mehr als 19 Kilometer hatte der deutsche Geher Andre Höhne bei Temperaturen von mehr als 30 Grad ausgehalten und sich eine Medaillenchance bewahrt. Doch eingangs der letzten Kurve, 200 Meter vor dem Ziel, brach er zusammen - und hat nun eine Beschwerde gegen die Organisatoren eingelegt.

Erst als Andre Höhne aus der Bewusstlosigkeit erwachte, begriff sein Umfeld das Ausmaß von Skandal und Drama um den Berliner, der im 20-km-Gehen 200 Meter vor dem Ziel kollabierte.

Geher André Höhne beim Abkühlen im Wasserbecken: "Erst im Krankenhaus habe ich erfahren, dass ich gar nicht im Ziel war." (Foto: Foto: Reuters)

"Ich bin betrogen worden um eine Medaille. Man hat mich zusammen mit einem überrundeten Läufer noch einmal auf die Runde schicken wollen statt ins Stadion. Ich ging 50 bis 60 Meter in die falsche Richtung, bis mir ein Ordner hinterherlief. Doch da waren schon zwei an mir vorbei", schilderte der WM-Vierte von 2005 die tragische Situation.

Andre Höhne war am Ende von Motivation und Kräften, auch weil er bei Kilometer 17 keinen erfrischenden Schwamm mehr erhalten hatte.

Der Körper schaltete ab. "Erst im Krankenhaus habe ich erfahren, dass ich gar nicht im Ziel war", erzählte der 29-Jährige Stunden später, wehrte aber Kritik am Trainingslager Shibetsu ab, das offenbar keine Anpassung ans tropische Klima ermöglicht hatte.

"Die seelischen Schmerzen sind viel schlimmer als die körperlichen"

"Man kann das Ganze nicht darauf schieben. Bei 34 Grad potenziert sich die Hitze auf dem Asphalt. Ein Fehler, solche Titelkämpfe in ein solches Klima zu vergeben. Aber die WM findet ja nur wegen der Sponsoren hier statt", meinte Höhne mit Blick darauf, dass sieben der neun Partner des Weltverbandes IAAF aus Japan kommen.

"Aber Osaka hat sich nicht aufgedrängt. Es wurde gebeten, weil Sponsoren im WM-Land wohnen", erklärte DLV-Cheftrainer Jürgen Mallow, der von menschlichem Versagen des Kampfrichters sprach. Der Vorfall mit Höhne sei der Höhepunkt organisatorischer Pannen bei der WM gewesen. Deshalb protestiere man beim Weltverband IAAF gegen die WM-Organisation und erwarte eine Antwort.

"Die seelischen Schmerzen sind viel schlimmer als die körperlichen. Ich bin überzeugt, eine Medaille wäre möglich gewesen", meinte der tieftraurige Olympia-Achte, der sich noch zwei Tage zuvor als Hitzegeher bezeichnet hatte. Nach Rang vier bei der WM 2005 in Helsinki hatte er in diesem Jahr in Südafrika und St. Moritz in Hitze und Höhe trainiert, um sich optimal auf die tropischen Bedingungen in Osaka einzustellen.

Mir war bange, er hatte keine gerade Linie mehr

20-km-Sieger Jefferson Perez aus Ecuador war beim ersten Titelhattrick eines Gehers (WM 2003/05/07) gerade mit Krämpfen im Ziel zusammengebrochen, da drehte sich der fast schon taumelnde Berliner 200 m vor dem Ziel nach links zur Seite und stürzte auf den Rasen des Stadions. Helfer wollten ihn stützend Richtung Ziel geleiten. Irgendwie landete Andre Höhne dann im Wassergraben, wurde wohl vom Kälteschock bewusstlos.

DLV-Arzt Uwe Wegner war nach dem Kollaps des 29-Jährigen im Glutofen Nagai-Stadion (34 Grad) als erster des Teams bei dem Berliner und meinte: "Es geht ihm besser. Andre erhielt Infusionen. Der Transport ins Krankenhaus dauerte viel zu lange. Wir haben ihn dorthin gebracht, da er im ersten Moment nicht wusste, wo er war und welcher Tag ist."

In großer Sorge hatte Trainer Peter Selzer, dreimaliger EM-Medaillengewinner (1969-74), in den Katakomben des Nagai-Stadions nach seinem Schützling gesucht. "80 Meter vor dem Ziel ging er noch an mir vorbei. Aber mir war bange, er hatte keine gerade Linie mehr."

Der frühere Weltrekordler sagt: "Er hatte sich gewissenhaft vorbereitet, trank auch während des Wettkampfs etwa drei Liter." Ein Fehler von Andre Höhne war es vielleicht, die Mütze wegzuwerfen. "Wir haben sie aufgehoben, ihm gekühlt wiedergegeben."

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