Langlauf-Doping:"Ein versauter Sport"

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Der Skilanglauf gilt unter Fachleuten als eine jener Sportarten, in denen besonders viel getrickst wird. Die Doping-Patzer werden allerdings oft auffallend schnell vergessen.

Thomas Kistner

Skilanglauf, sagt Zellforscher und Dopingaufklärer Professor Werner Franke, sei die "nach dem Radsport versauteste Disziplin". Dass dies viel polemischer klingt, als es ist, belegt ein Blick in die jüngere Betrugschronik: Der Langlauf ist eine Branche der Intensiv-Doper.

Als im Gastgeberland dieser Winterspiele, in Italien, Ende 1999 eine gigantische Blutdoping-Affäre um die Sportärzte Francesco Conconi und Michele Ferrari aufflog, entpuppte sich gleich das gesamte olympische Komitee Italiens als Doping-Brutstätte.

Und als der Untersuchungsrichter im Mai 2002 eben jenen Conconi zum Verhör bat, standen auf seiner Liste von gedopten Spitzenathleten neben 25 Radprofis sechs Langläufer: die Olympiasieger Albarello, de Zolt, Fauner, Vanzetta und Polvara, sowie, als einzige Frau, Olympiasiegerin Manuela di Centa.

Doping-Patzer vergessen

Diese machte trotzdem steil Karriere in der Sportwelt - die Segnungen der Turiner Spiele genießt sie nun als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees. Vergessen ist, dass sie wegen eines Patzers beim Blutdopen einst eine schwere gesundheitliche Krise durchlitt.

Auch die Finnin Virpi Kuitunen erinnert sich ungern an ihre Karriere. Besonders an die Nordische Ski-WM 2001 in Lahti. Sie gewann das Verfolgungsrennen, wurde aber kurz darauf mit fünf Landsleuten des Blutdopings überführt.

Nationaltrainer Kyrö wurde verhaftet; er hatte mit zwei Teamärzten eine lebhafte Doping-Praxis betrieben. Der Skandal um die Weltklasseläufer erschütterte das Land. Langlauf war finnischer Nationalsport bis zu jener WM. Aber nun zogen sich Sponsoren und Medien zurück, die Regierung strich die Zuschüsse.

Als "dumme Ausrede" tat damals der deutsche Skiverbandsarzt Ernst Jakob den Vortrag eines finnischen Sünder ab, er habe mit dem das Blutplasma auffüllenden Medikament Hes nur seinen natürlich erhöhten Hämoglobin-Wert ausgleichen wollen. Die Spiele in Lahti hatten die Denkungsart hinter den Langlauf-Kulissen offenbart; die Szene außerhalb Finnlands feierte das Ereignis als Reinigung. Bis zum nächsten Skandal.

Riesenerfolg für die Fahnder

Bei den Winterspielen 2002 in Salt Lake City erhielten Larissa Lasutina und Olga Danilowa so genannte Schutzsperren, mit denen die Gesundheit von Sportlern mit überhöhten Hämoglobin-Werten geschont werden soll. Ihre Werte lagen über der Grenze von 16,0 Gramm pro Deziliter.

Russlands Staffel, damals der klare Gold-Favorit, war urplötzlich aus dem Rennen; es siegten die Deutschen mit Schlussläuferin Evi Sachenbacher. Kurz darauf gewann der Allgäuer Johann Mühlegg über 50 Kilometer sein drittes Gold. Aber dann flog auf, dass Mühlegg wie Lasutina und Danilowa das Blutdopingmittel Darbepoetin benutzt hatte.

Das war ein Riesenerfolg der Fahnder: Die Entwicklung von Mühleggs Blutwerten hatte Bengt Saltin, Medizinchef im Skiweltverband Fis, gezeigt, dass die Stärke dieses Sportlers nicht nur auf hartem Training beruhen konnte.

Aggressiver Kampf gegen die Grenzwerte

Dann die WM 2003 in Val di Fiemme: Die Finnin Kaisa Varis verpasste das erste Rennen wegen eines überhöhten Hämoglobin-Wertes: 16,4 statt 16,0. Der finnische Verbandschef Rehunen, ein Arzt, griff massiv die Fis an: Hämoglobin-Grenzwerte seien unsinnig. Varis' Coach gab zu, dass er seine Athletinnen so nah wie möglich an die Grenzwerte heranführte. Wenig später wurde Varis des Epo-Dopings überführt.

Ein Weißrusse wurde 2005 mit Wachstumshormonen erwischt. Vor der WM 2005 in Oberstdorf gab es Schutzsperren, doch ein Skandal blieb aus. Und dann gab es zwölf Schutzsperren vor Eröffnung der Turiner Spiele, unter anderem gegen Evi Sachenbacher. Die folgenden Dopingtest auf Epo waren negativ, Eigenblutdoping ist nicht detektierbar.

Seit die Deutschen nach Jahrzehnten des Hinterherlaufens bei der WM 2001 ihre erste Einzelmedaille gewannen, dominieren sie die Szene. In Turin zogen sie gegen die Grenzwerte der Fis sogar vor das Sportgericht. Verbandsarzt Ernst Jakob gilt in der Branche als aggressivster Kämpfer gegen die Grenzwerte.

Zwei deutsche Läufer wurden schon mit Sondergenehmigungen ausgestattet, Jakobs Vorstöße für Sachenbacher aber scheitern seit 2003. "Er hat andere Ansichten als wir", sagt Fis-Medizinchef Saltin, "steht damit aber auch gegen die medizinische Gemeinde."

© SZ vom 18.2.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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