Kurzportraits:Schmächtiger Gigant, seltsame Parolen

Lesezeit: 2 min

Kroatiens Elf ist gespickt mit hochtalentierten, aber auch umstrittenen Spielern - einer könnte als Weltfußballer vor Gericht stehen.

Von Fabian Ruch

Ivan Rakitic: Aus Möhlin zur Krönung in Moskau

Es ist ein historischer Tag für Ivan Rakitic - und seine kroatische Auswahl, für die er sich als 21-Jähriger entschieden hat. Am Freitag betonte Rakitic in einer Pressekonferenz im Luschniki-Stadion noch einmal seinen Stolz auf das rot-weiß karierte Trikot, er spricht von Leidenschaft, von Ehre. Der 30-jährige Rakitic ist ein weltklasse Spieler - dessen Karriere nun in Moskau womöglich die Krönung bevorsteht. Aufgewachsen im schweizerischen Möhlin, ausgebildet beim FC Basel und in Schweizer Nachwuchsteams bis zur U21, verfeinert beim FC Schalke und dem FC Sevilla, zur Vollendung gebracht ab 2014 beim FC Barcelona. Er gewann neben mehreren nationalen Titeln die Europa League, die Champions League, den Weltpokal. Am Sonntag bestreitet Rakitic das 71. Wettbewerbspiel in dieser Saison, kein anderer Profi weltweit hat mehr absolviert.

Dejan Lovren: Abwehrchef mit seltsamen Parolen

Die Defensive Kroatiens operiert rustikal und ist nicht mit Weltgrößen besetzt. Abwehrchef Dejan ­Lovren immerhin ist beim FC ­Liverpool engagiert, er ist kräftig, robust, zweikampfstark, aber wie seine Verteidigerkollegen eher nicht so schnell. Nach dem 2:1 gegen England im Halbfinale der WM stand Lovren lange bei Journalisten. Es war ihm ein besonderes Anliegen, die britischen Medien daran zu erinnern, wie euphorisch deren Vorberichterstattung gewesen war. Er empfand das als beleidigend für Kroatien. Wenn es darum geht, selbst seltsame Parolen zu schwingen, ist Lovren wenig zimperlich. In der Vorrunde rezitierte er nach dem 3:0 gegen Argentinien kriegsverherrlichende Rockmusik-Songzeilen.

Ivan Perisic: Der Hoffnungsträger

Seit 1982 nahm immer mindestens ein Spieler von Inter Mailand und Bayern München am WM-Finale teil. Bayerns Corentin Tolisso spielt bei Frankreich keine Hauptrolle, die Inter-Spieler Marcelo Brozovic und vor allem Ivan Perisic bei den Kroaten dagegen schon. Mit einer überragenden Vorstellung führte Perisic sein Team gegen England ins Endspiel, er schoss ein Tor, bereitete das zweite vor, war die auffälligste Figur. "Keiner könnte glücklicher sein als ich, gegen Frankreich zu spielen", sagt Perisic. Mit 17 wechselte er nach Sochaux, der Lohn half der Familie und rettete die Hühnerfarm seines Vaters. Zwei Jahre verbrachte Perisic in Sochaux und spricht seither Französisch. Über KSC Roeselare und Brügge schaffte er später als Torschützenkönig Belgiens den Aufstieg zu Dortmund, via Wolfsburg ging es zu Inter. ­Möglicherweise setzt Perisic seine Reise durch Europa bald fort. José Mourinho wollte den linken ­Flügel bereits vor einem Jahr zu Manchester United holen, Inter lehnte das Angebot jedoch ab. Nun dürfte Perisics Marktwert noch mal gestiegen sein - trotz seiner bereits 29 Jahre. Einen WM-Helden präsentiert jeder Topclub gerne als Hoffnungsträger.

Luca Modric: Der schmächtige Gigant

Wenn man Luka Modric aus der Nähe sieht, zum Beispiel nach einer Partie in der Interviewzone, ist man erstaunt, wie schmächtig der kleine Spielmacher ist. Offizielle 65 Kilogramm verteilen sich auf 1,72 m Körpergröße, auf dem Feld aber ist der 32-jährige Edeltechniker ein Gigant. Modric sagt, für den WM-Titel würde er alle Triumphe mit Real Madrid eintauschen. Er rannte und kämpfte in den letzten drei Partien in der Verlängerung wie mehrere Kollegen teilweise mit Krämpfen in den Beinen. Den Justizproblemen zu Hause dagegen kann er nicht davonlaufen, Modric ist wegen Falschaussage in einem Korruptionsskandal angeklagt. Führt er Kroatien zum WM-Titel, wird er möglicherweise als Weltfußballer vor Gericht stehen.

© SZ vom 15.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: