Korruption im Fuball:Rücktritt als Manöver

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Strippenzieher al-Sabah tritt aus der Fifa ab. Die Vorwürfe bergen Sprengstoff über den Fußball hinaus - bis ins IOC.

Von Thomas Kistner, München

Ahmad al-Fahad al-Sabah reagierte flott an seinem schwarzen Wochenende. Hatte der Kuwaiter die Nachricht, dass er in der jüngsten US-Anklage zum Fifa-Korruptionskomplex als mutmaßlicher "Mitverschwörer" beschrieben werde, am Samstag noch scharf zurückgewiesen, gab er anderntags das Vorstandsamt im Fußball-Weltverband ab. Ein kluger Schritt: Denn die Klageschrift gegen den hohen Fifa-Funktionär Richard Lai, in der al-Sabah umschrieben wird, war schon unterwegs zu Miguel Poiares Maduro - und der Chef des Governance-Stabs der Fifa hätte al-Sabahs Pläne, seinen Sitz im Fifa-Council beim Kongress nächste Woche in Bahrain zu verteidigen, ohnehin torpediert. Denn Maduro führt die Integritätschecks durch; wie rigoros, hat jüngst Russlands Fußballboss Witali Mutko erlebt, der nun seinen Sitz im Fifa-Rat verliert.

Die Affäre um al-Sabah birgt Sprengstoff weit über den Fußball hinaus. Insbesondere für das Internationale Olympische Komitee (IOC), in dem der Strippenzieher seit 1992 immensen Einfluss ausübt. Wie eng die Verflechtung von Fifa und IOC ist, zeigt sich immer wieder. Etwa Mitte 2015, nachdem das FBI in Zürich allerlei Fußball-Granden verhaftet und die Fifa eilig ein Reformkomitee gegründet hatte: Als Chef wurde der affärengestählte, frühere IOC-Generaldirektor Francois Carrard beauftragt, und der olympische Quereinsteiger berief in seinen Fifa-Reformstab drei Transparenzverfechter aus dem Fifa-Vorstand: Einen aus dem Kongo, einen aus Ägypten sowie den Scheich aus Kuwait. Die Fifa und das IOC - auch in den Ticket-Affären um beide Organisationen tauchen dieselben Geschäftsmuster, sogar die selben Firmen und Strohmänner auf.

Der Scheich steht unter Verdacht, ein Mitverschwörer zu sein

Im IOC, das sich bisher bedeckt hielt, verwaltet al-Sabah den begehrten Entwicklungshilfefonds. Er führt die Olympische Solidarität und sitzt der ANOC vor, dem Verbund aller olympischen Komitees. Überdies ist er ein mächtiger Förderer von Präsident Thomas Bach. Vor dessen Wahl 2013 trat er als Königsmacher des Deutschen so ungeniert und rigoros nach außen auf, dass selbst das IOC-Ethikkomitee nervös wurde. Dabei ist dieser zahme IOC-Stab nicht zu verwechseln, schon gar nicht zu vergleichen mit dem wirklich unabhängigen Ethiker-Gremium in der Fifa.

Während der olympische Sport in der Affäre noch im Schatten steht, brennt es in der Fifa lichterloh. Den Skandal löste die Beichte von Richard Lai aus: Der Ex-Fußballchef der Pazifikinsel Guam räumte vor einem Bundesgericht in New York die Annahme von Schmiergeld ein. In Lais Bekenntnis taucht al-Sabahs Name nicht auf, die Anklageschrift zielt aber unmissverständlich auf den Kuwaiter als einen von vier "Mitverschwörern", die Lai zwischen 2009 und 2014 insgesamt eine knappe Million Dollar Schmiergeld zugeschanzt haben sollen. Das Papier beziffert Geldflüsse, die über Banken auch in Kuwait, Katar und den USA liefen, und hält fest: "Zu verschiedenen Zeitpunkten war Mitverschwörer Nummer zwei ein hoher Funktionär der Fifa, des Fußballverbands von Kuwait und in Asiens Olympischem Rat (OCA)".

Am Samstag dementierte OCA-Chef und Fifa-Vorstand al-Sabah via OCA-Pressetext aufs Schärfste, besagte Nummer zwei zu sein. Am Sonntag dann der Rückzug samt Rolle seitwärts: "Ich weise die Vorwürfe energisch zurück und kooperiere mit den Behörden, um die für mich total überraschenden Vorwürfe zu widerlegen." Den Fifa-Ethikern jedoch hatte er bis dahin nur den Rückzug mitgeteilt, nicht die Kooperation angeboten. Einerlei, sie wollen ohnehin erst Lai vernehmen, der schon angefragt wurde - und mit dessen Angaben al-Sabah konfrontieren.

Gianni Infantino begrüßte al-Sabahs Rückzug. Doch der Verdacht, dass auch der Fifa-Chef bald in den Fokus der Affäre rücken könnte, steckt in vielen Hinweisen. Wie schon bei zwei früheren Zugriffen in Zürich, jeweils kurz vor wichtigen Fifa-Sitzungen, ist auch der Zeitpunkt der jüngsten US-Offensive sorgfältig gewählt: Am Vorabend des Fifa-Kongresses am 11. Mai in Bahrain wird die Affäre in Richtung Asien erweitert. Sie spielte bisher ja fast nur auf amerikanischem Terrain. Zudem erfolgt der Vorstoß, der die Fifa-Affäre globalisiert, nur Wochen nachdem Infantinos Fifa die Affäre für intern beendet erklärt hat: Nun könne man sich endlich wieder dem schönen Fußballspiel widmen.

Statt Partystimmung herrscht jetzt Alarmstufe Rot; die Zürcher Krisengespräche dürften um so banale Themen wie einen Schlüsselanhänger kreisen, der sich diskret an Verhandlungstischen platzieren lässt. Mit einem Mikrofon im Schlüsselanhänger hatte das FBI 2012 schon seinen ersten Fifa-Kronzeugen Chuck Blazer in die Funktionärstreffen geschickt; nun könnte auch Richard Lai so ausstaffiert worden sein. Lai ist wie Blazer US-Bürger, beide Ermittlungen wurden strikt geheim geführt - und wie Ex-Vorstand Blazer hatte auch Lai (bis Freitag) ein bedeutendes Amt in der Fifa inne: Er saß im Audit-und- Compliance-Komitee. Das überwacht den korrekten Umgang mit den Finanzen sowie die Bezahlung Infantinos und der Spitzenleute. Am strikt sauberen Finanzgebaren hängt die Existenzfrage der Fifa, denn die US-Justiz ermittelt unter dem Anti-Mafia-Gesetz Rico: Kann die Fifa ihren Opferstatus wahren - oder wird sie noch zum Täter?

Die Frage ist delikat. Erst recht, weil in der Fifa Planspiele laufen, das Salär für Infantino und das von 25 auf 35 Insassen aufgeblähte neue Council um bis zu 50 Prozent zu erhöhen. Zugleich sind die Einnahmeverluste dramatisch, reihenweise stiegen Sponsoren nach der WM 2014 in Brasilien aus, darunter Schwerkaliber wie Sony und Emirates. Drängelten sich um Brasilien noch 20 spendable Werbepartner, sind es für Russland 2018 bisher nur zehn Firmen. Diesen Imageverlust, der jetzt fortschreiten dürfte, hat Infantino nie bremsen können. Der Schweizer entstammt alten Funktionärszirkeln und pflegt den intransparenten Herrschaftsstil des Vorgängers Sepp Blatter - obwohl seine Zuständigkeiten per Reform beschnitten wurden.

Die Affäre tritt jetzt in die heiße Phase, das FBI war stets am Ball geblieben. Es hat offenkundig zum Fifa-internen Finanzgebaren ermittelt, und es wird auch die Spuren des "Mitverschwörers" aus Kuwait verfolgen. Dessen Einfluss im Weltsport wird ohnehin seit vielen Jahren misstrauisch beäugt.

© SZ vom 02.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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