Konstruktion und Regelwerk:Dreckschleudern und Hobbyflieger

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Stelzen, Flügel und Ventilatoren: Es gab Zeiten, da war die Fantasie der Ingenieure kaum zu bremsen.

Von René Hauri, Melbourne

Achterbahnfahren. So vergleicht Nico Hülkenberg das Fahrgefühl in den neuen Autos. Zwanzig Zentimeter breiter, ein wenig flacher, ein bisschen agressiver, Lewis Hamilton ist gleich 1,7 Sekunden schneller im Qualifiying als im Vorjahr. Der Blick zurück auf kuriose Konstruktionen und wichtige Regeländerungen in der Formel 1 zeigt: Früher hatten die Entwickler mehr Freiheit - und nutzten sie.

Fast wie Fliegen

Die Idee hätte von den Flugpionieren Wright stammen können: McLaren fuhr 1969 mit Flügeln auf Stelzen. Lotus setzte 1971 dagegen auf auf einen Gasturbinen-Antrieb, während March mit einem Frontflügel antrat, der aussah wie ein aufgesetztes Surfbrett. Der Eifelland Type  21 drehte seine Runden 1972 mit einem riesigen Rückspiegel in der Mitte, Hesketh 1975 mit doppeltem Front-, Toleman 1984 mit doppeltem Heckflügel.

Die anderen fressen Dreck

1978, da versucht Brabham mit aller Macht, die erdrückende Dominanz von Louts zu durchbrechen. Die Briten reisten mit einem Auto zum Grand Prix von Schweden, das mit riesigen Ventilatoren ausgestattet war, die am Heck prangten. Sie saugten die Luft vom Unterboden an und bliesen sie hinten wieder aus. Dadurch entstand unter dem Fahrzeug Unterdruck, womit es stärker auf den Boden gedrückt wurde. Die gegnerischen Fahrer beschwerten sich nach dem Qualifying, weil ihnen der Propeller Schmutz und Kies entgegenschleuderte. Starten durften Niki Lauda und John Watson dennoch - Lauda gewann das Rennen. Doch der Widerstand wurde so groß, dass Ecclestone, der damalige Teamchef von Brabham, den BT46B nach nur einem Einsatz zurückziehen musste.

Sechs Räder für einen ­Doppelsieg

Ähnlich erging es der Konstruktion, mit der Tyrrell 1976 und 1977 zur Meisterschaft antrat. Sechs Räder hatte der P34, vier kleine vorne, zwei große hinten. Die kleinen Pneus sollten den Luftwiderstand verringern. Damit die Bodenhaftung nicht zu klein wurde, verdoppelte Renningenieur Derek Gardner kurzerhand die Anzahl. Der Erfolg war im ersten Jahr beachtlich. In Schweden feierten Jody Scheckter und Patrick Depailler gar einen Doppelsieg. Es ging aber nicht allzu erfolgreich weiter, weshalb das Auto wieder verschwand. Um solchen Konstruktionen vorzubeugen, wurde die Anzahl an Rädern im Reglement auf vier festgelegt - allerdings erst 1983. Der Tyrrell P34 war der einzige Bolide, der mit sechs Rädern ein Rennen fuhr. Ferrari, Williams und March hatten solche Wagen getestet, eingesetzt wurden sie nie.

Schluckbeschwerden

220 Liter Benzin. Das reicht, um mit einem normalen Straßenauto von Marokko nach Norwegen zu fahren. Für die Formel-1-Autos musste das 1984 reichen, um die Grand-Prix-Distanz von rund 300  Kilometern hinter sich zu bringen. Denn die 220 Liter, das war eine Beschränkung für die durstigen Karren. Die Leistung wurde so begrenzt. 1986 wurde das Limit auff 195 Liter gesenkt - trotzdem wurde der Benetton-BMW noch von 1350 PS angetrieben. 1988 kam die nächste Stufe (150 Liter), mittlerweile müssen die Hybrid-Wagen mit ihren 1,6-Liter-V6-Turbomotoren mit 105 Litern auskommen.

Freude am Ende des Feldes

Besonders findig waren die Regeltüftler des Automobilverbandes vor der Saison 2005. Irgendwie waren ihnen diese Rennwagen viel zu schnell geworden. Also hieß es: einbremsen. Nur noch einen Reifensatz, der für Qualifying und Rennen halten muss, nur bei Pannen und Regen darf noch gewechselt werden. Die Piloten werden gezwungen, schonender mit den Pneus umzugehen. Am schonendsten taten sie das beim GP der USA. Zumindest diejenigen, die ihre Autos mit Michelin-Reifen ausgestattet hatten. Nach der Einführungsrunde fuhren sie in die Boxengasse und ließen ihre Boliden stehen - ganz zum Unmut der Fans, die in Übersee ohnehin schon rar sind. Der Hersteller hatte Sicherheitsbedenken geäussert. Sechs Autos gingen an den Start, alle mit Bridgestone-Pneus. Über das Schrumpffeld freuten sich vor allem Chrstijan Albers und Patrick Friesacher in ihren Minardi. Obwohl sie zwei Runden Rückstand hatten auf Michael Schumacher, wurden sie Fünfter und Sechster. Es war der Höhepunkt des italienischen Teams in seiner Abschiedssaison - nur einmal waren sie gleich gut gewesen in ihrer 21-jährigen Formel-1-Geschichte.

Überholen auf Knopfdruck

Früher war eben doch nicht alles besser. Es gab zu wenige Überholmanöver. Zumindest sahen das die Regelhüter 2011 so - und leisteten künstliche Abhilfe. DRS heißt seither das Zauberwort, das das Überholen für manch einen Fahrer zum Kinderspiel macht. Das Drag Reduction System sorgt für geringeren Luftwiderstand. Ein hinterherfahrender Pilot darf einen Teil des Heckflügels hydraulisch flacher stellen, sobald er sich in einem Zeitfenster von einer Sekunde zum Vordermann befindet. Durch den kleineren Widerstand wird das Auto schneller. Begeistert sind davon nicht alle, die Manöver sind oft nur Formsache.

© SZ vom 26.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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