Kommentar:Zurück in die Zukunft

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Es weht ein Hauch von Geschichte durch den Borussen-Park: Mönchengladbach, seit diesem Samstag auf dem sicheren Weg in die Champions League, erlebt die Wiedergeburt eines Herzensklubs.

Von Ulrich Hartmann

Zwölf Bundesligaspiele nacheinander ohne Niederlage, neun Heimsiege in Serie, in den direkten Spitzenduellen zuletzt 2:0 in München, 1:0 gegen Wolfsburg und nun 3:0 gegen Leverkusen gewonnen - das sind Daten, die in Mönchengladbach Erinnerungen an die Siebziger Jahre wachsen lassen. "Quatsch", sagt der Zeitzeuge Rainer Bonhof zu solchen Vergleichen gerne lapidar, und sein Kollege Jupp Heynckes, der am Samstag 70 Jahre alt wurde, nutzte das Wochenende und seinen Ehrentag lieber, um über das Wochenende zu verreisen.

Und doch: Es weht ein Hauch von Geschichte durch den Borussia-Park draußen im Südwesten Mönchengladbachs, einer Stadt, die fußballerisch wie kaum eine zweite seit fast 40 Jahren von ihren Erinnerungen lebt: Siebziger Jahre, Fohlenelf, Heynckes, Bonhof, Günter Netzer, Hennes Weisweiler. Da ist die nunmehr bevorstehende erstmalige Qualifikation für die Champions League gewissermaßen ein Meilenstein auf dem Weg zurück in die Zukunft.

Zehn Punkte Rückstand hatte Gladbach Anfang März auf den designierten Meisterschaftszweiten VfL Wolfsburg. Am Samstag nun haben die Borussen den VfL zunächst sogar um einen Punkt überholt, weil Wolfsburg erst am Sonntag in Paderborn spielt. Gladbach spielt seit Wochen in Hochform, weil die Abgänger Kruse und Christoph Kramer wie gelöst agieren, weil der Rechtsaußen Patrick Herrmann sich auch von den ständigen Auswechslungen nicht entmutigen lässt, weil mit Roel Brouwers und Tony Jantschke ein eigentlich schon aussortierter 33-Jähriger und ein vormaliger Außenverteidiger ein starkes Pärchen in der Innenverteidigung abgeben, und weil in seinem dritten Jahr in Mönchengladbach auch der defensive Mittelfeldspieler Granit Xhaka in Form kommt.

Zweiter war die Borussia zuletzt vor 37 Jahren - mit Allan Simonsen

Jetzt haben die Gladbacher angesichts ihrer fünf Punkte Vorsprung vor Leverkusen nicht nur die direkte Qualifikation zur Champions League so gut wie sicher, sondern sie spielen plötzlich auch um den zweiten Platz mit, den der Volksmund wie einen Titel klingen lässt: Vizemeisterschaft.

"Zweiter oder Dritter - das ist mir eigentlich egal", sagt Tony Jantschke. "Zweiter oder Dritter - das macht für mich keinen Unterschied", sagt der Torwart Yann Sommer. Aber es würde eben doch einen Unterschied machen. Rein symbolisch. Denn Meisterschaftszweiter war Borussia Mönchengladbach zuletzt vor 37 Jahren. Im Frühjahr 1978 spielten Wolfgang Kleff, Berti Vogts, Rainer Bonhof, Allan Simonsen und Jupp Heynckes unter dem Trainer Udo Lattek die Borussia auf den zweiten Platz hinter dem punktgleichen Meister 1. FC Köln. An jenem letzten Spieltag reichte den Gladbachern auch ein anrüchiger 12:0-Sieg gegen Borussia Dortmund nicht zum Titel. Es war eine denkwürdige Saison damals - für die Bundesliga, für Gladbach und für Rainer Bonhof, den heutigen Vizepräsidenten der Borussia.

Wenn Bonhof also heute "die Wiedergeburt" seines Herzensklubs feiert, dann sagt das vermutlich noch mehr über die Renaissance von Borussia Mönchengladbach als die eingangs erwähnten beeindruckenden Statistiken.

© SZ vom 10.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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