Kommentar:Winkelzüge des Paten

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Schalke-Boss Tönnies scheint darauf vorbereitet zu sein, dass Manager Heldt hinwirft und Wunsch-Nachfolger Heidel noch nicht bereitsteht. Ein Beraterkreis mit alten Helden wurde offenbar nicht nur zu Folklorezwecken installiert.

Von Philipp Selldorf

Unter großem Applaus der mehr als 9000 anwesenden Mitglieder hat Clemens Tönnies auf Schalkes Jahreshauptversammlung Ende Juni Kritik an einer führenden Vereinsgröße geübt - an Clemens Tönnies. Dieser habe sich "im Übereifer" zu häufig in die Tagespolitik eingemischt, gestand Tönnies und legte eine Art Gelübde ab: Er werde in Zukunft weniger Interviews zur Lage in Schalke geben und sich seltener öffentlich äußern. An diese allseits begrüßte Verzichtserklärung hat sich der Schalker Pate bis heute gehalten. Nun aber gibt es Kritik, dass er es mit dem Schweigen übertrieben hat.

Während sich verschiedene Aufsichtsräte beschweren, dass Tönnies sie nicht eingeweiht hatte, als er dem Mainzer Christian Heidel den Schalker Manager-Posten antrug, zog Stelleninhaber Horst Heldt die Konsequenz aus dem perfiden Vorgehen des Vorgesetzten: Nachdem er zum wiederholten Male aus den Medien erfahren hatte, dass sein Boss nach einem Nachfolger fahndet, ließ er den Klub wissen, für die Verlängerung seines im Sommer auslaufenden Arbeitsvertrages nicht zur Verfügung zu stehen.

Jetzt ist das Wort erst mal in Mainz. Von dort kamen nun nach der turnusmäßigen Vorstandssitzung des FSV Signale, die sich unterschiedlich deuten lassen: als beruhigend für die Mainzer, die von Heidel die Zusage erhielten, dass er nicht im Eilverfahren um die Freigabe für den Wechsel bitten werde; als alarmierend für die Schalker, die möglicherweise demnächst ohne sportliche Führung dastehen. Es sieht zwar so aus, als ob Heidel das Abenteuer in Schalke wagen möchte; aber es kann noch Monate dauern, bis die Mainzer bereit sind, ihn zu entbehren. Mit Gewalt wird er den Wechsel nicht erzwingen, so viel steht fest. Und mit dem ältesten und härtesten aller Argumente - mit Geld und noch mehr Geld - lässt sich der Vorgang ausnahmsweise nicht beschleunigen.

Ohnehin ist es ja ein interessanter Winkelzug des Oberaufsehers Tönnies, mitten im sportlichen Aufschwung die Trennung vom amtierenden Manager zu betreiben, der diesen sportlichen Aufschwung initiiert hat - und dem Klub für dieses Manöver auch noch eine millionenschwere Ablösesumme aufzuhalsen.

Andererseits ist es nicht vorstellbar, dass Heldt bis zum letzten vertragsgemäßen Arbeitstag (30. Juni 2016) am Schreibtisch sitzt und im Namen des lieben Nachfolgers Schalkes Zukunft plant. Mancher meint allerdings, dass der Verein genügend Sachverstandsreserve gebildet hat, als er im Sommer die Alt-Schalker Stevens, Büskens und Sand in einem neuen Beratergremium vereinigte. Viele haben geglaubt, dass Tönnies mit der Berufung des Helden-Triumvirats nur das Folklorebedürfnis der Fan-Gemeinde befriedigen wollte. Aber vielleicht steckte sogar ein Plan dahinter.

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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