Kommentar:Vision vom Farmteam

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Fußballtrainer Rudi Bommer wechselt in die fünfte Liga - weil er wieder professionell arbeiten will. Der SC Hessen Dreieich könnte dem Budesligaklub Eintracht Frankfurt Talente zuliefern - ist das ein Modell für die Zukunft?

Von MARKUS SCHÄFLEIN

Vor einigen Tagen hat der Fußballtrainer Rudi Bommer seinen Abschied vom Regionalligisten Viktoria Aschaffenburg angekündigt; die Begründung lautete, er wolle schnellstmöglich wieder einen Job im Profifußball annehmen und habe auch schon ein entsprechendes Angebot vorliegen. Daher staunten die Leute in Aschaffenburg nicht schlecht, als jetzt bekannt wurde, dass Bommer, zuvor unter anderem bei 1860 München, beim MSV Duisburg und bei Energie Cottbus tätig, künftig für den SC Hessen Dreieich arbeiten wird. Aus der vierten Liga in die fünfte - um wieder professionell zu arbeiten?

Derzeit ist dieser SC Dreieich ein abstiegsbedrohter Hessenligist, aber lange soll er das nicht bleiben. Neben Bommer kommen zwei seiner Weggefährten von Eintracht Frankfurt in die Frankfurter Speckgürtelgemeinde: Karl-Heinz Körbel wird Sportvorstand, Ralf Weber Teammanager und Co-Trainer. In der Rückrunde ins gesicherte Mittelfeld, nächste Saison in die Regionalliga - so lautet der Plan von Mäzen Hans Nolte.

Neben Trainer Bommer kommen auch Körbel und Weber

Nun könnte man vermuten, dass Nolte nicht nur Deutschlands kleinste Fluglinie ("Hahn Air") besitzen will, sondern auch Deutschlands kleinsten Profiverein - dass er also einfach viel Geld für einen Fußballklub übrig hat; einen Sportpark hat er ja bereits gebaut. Doch die Überlegungen hinter dem Projekt gehen offenbar weit darüber hinaus. Körbel ist Leiter der "Eintracht Frankfurt Fußballschule", Weber war zuletzt Scout der Eintracht. Die Dreieicher planen laut Offenbach Post "eine enge Kooperation mit dem Bundesligisten" - man könnte es auch so nennen: die Vision vom ersten Farmteam im deutschen Fußball, nach Art des FC Liefering, der in Österreich RB Salzburg zuarbeitet. Der SC Hessen schreibt von einem "Kurs einer ganzheitlichen Begleitung von talentierten, leistungsorientierten Fußballern".

Vor eineinhalb Jahren meldete die Eintracht ihre U23 aus der Regionalliga ab. Es gelinge ohnehin kaum einem Spieler, von dort den Sprung zu den Profis zu schaffen. Manager Bruno Hübner prophezeite: "Viele Vereine werden nachziehen." Es zog aber kaum einer nach - von den anderen Erstligisten verzichten derzeit nur Leverkusen und Darmstadt auf eine U23, aus vielen Klubs ist zu hören, dass sie an einen Rückzug nicht denken. Auch bei der Eintracht haben sie mittlerweile im Umgang mit so manchem Talent gemerkt, dass so eine U23 ganz praktisch wäre. Im Sommer schaffte nur Stürmer Enis Bunjaki den Sprung aus der Jugend in den Profikader, 15 Spieler verließen nach der U19 die Eintracht, die meisten zu umliegenden Amateurklubs. Verteidiger Loris Weiss ging nach Dreieich.

Das Dreieicher Projekt birgt nun einige Spannung. Es ist offen, ob und wie die Idee eines Farmteams am Ende gelebt wird. Im Gegensatz zu den Klubpartnerschaften, wie sie im deutschen Eishockey beispielsweise üblich sind, ist im Fußball ein Hin- und Herwechseln von Spielern während der Saison kaum möglich. Sollte ein Modell Dreieich dennoch funktionieren, wird Hübners Prophezeiung vielleicht doch noch wahr.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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