Kommentar:Vierte Liga mit Verdi

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Mallorca-Investor Steve Nash hätte es billiger haben können. In Italien kostet ein Stück von einem Europacupsieger nur noch 100 Euro.

Von Birgit Schönau

Einen Fußballklub zu erwerben, ist vermutlich der Traum vieler Männer. Von der Fantribüne auf die Cäsarenloge wechseln, vor den Heimspielen in der Kabine auftauchen, um die eigenen Jungs schulterklopfend anzufeuern - für alle, die aus dem Alter raus sind, in dem sie selbst noch Maradona oder Messi werden können, ist das doch die zweitbeste Lösung. Und für jene, die selbst eine große Profikarriere hinter sich haben, offenbar auch. Sonst hätte der Kanadier Steve Nash - nach fast zwanzig erfolgreichen Jahren in der nordamerikanischen Basketballliga NBA - mit einigen Geschäftspartnern nicht soeben knapp 21 Millionen Euro investiert, um die Aktienmehrheit beim spanischen Fußball-Zweitligisten Real Mallorca zu übernehmen. Vom Korbball-Idol bei den Phoenix Suns zum Fußball-Zampano einer Trauminsel, das könnte man als eine gelungene Biografie bezeichnen. Was Nash wahrscheinlich nicht ahnte: Er hätte es auch viel billiger haben können. In Italien, dem Mutterland des legendären Großspenders und Augustus-Duzfreundes Gaius Maecenas sowie des nach ihm benannten Mäzenatenfußballs, kostet ein Stück von einem dreimaligen Europacupsieger aktuell nur noch 100 Euro.

Dafür kann man neuerdings den kleinsten Anteil am ruhmreichen Klub der schönen Stadt Parma erwerben. Dieser ist gerade als SSD Parma Calcio 1913 wie Phönix aus der Asche an die Tabellenspitze gesegelt, sieben Punkte vor dem Zweitplatzierten Altovicentino - die Rede ist von der vierten Liga, der Serie D. Dorthin, zu den Amateuren, die auf italienisch Dilettanti heißen, wurde Parma zwangsrelegiert, nachdem im Sommer die Insolvenz unvermeidlich war.

Am Ende hatte Parma 230 Spieler unter Vertrag, aber Gehalt bekam niemand mehr

Gleich fünf Präsidenten hatte der Klub in seiner vorerst letzten Saison in der ersten Liga, der Serie A, allesamt Männer, die ein- oder zweimal in der Ehrenloge thronten, ihren Jungs auf die Schulter klopften, um schnöde das Weite zu suchen, als es ans Zahlen gehen sollte. Am Ende hatte Parma 230 Spieler unter Vertrag, aber Gehalt bekam niemand mehr, auch nicht jene tapferen elf, die stoisch weiterspielten, begleitet vom Aida-Triumphmarsch des großen Parmenser Musikus Giuseppe Verdi. Man wollte eben in Würde untergehen.

Als der Bus für die Auswärtsspiele nicht mehr bezahlt werden konnte, sprang der Verband ein; als die Gläubiger die Zwangsversteigerung der Kabinenschränke und der Trainerbänke forderten, kauften treue Fans das Mobiliar zurück. Die Show sollte weitergehen in Parma, wo dereinst der künftige Bayern-Coach Carlo Ancelotti trainiert hatte, und wo italienische (Gianluigi Buffon, Fabio Cannavaro) und französische Weltmeister (Lilian Thuram) ihre Karrieren starteten. Damals gab es einen Patron, heute gehört Parma einer Genossenschaft mit dem schönen Namen "Nuovo Inizio": Neuer Anfang. Neben dem Nudelindustriellen Guido Barilla sind einige Parmaschinkenhersteller dabei, aber auch 121 ganz normale Tifosi. SSD Parma hat bereits 10 000 Dauerkarten verkauft, und der Bezahlsender Sky überträgt alle Spiele. Vierte Liga - auch weiterhin mit Verdi.

Von Monza bis Reggio di Calabria, wo dereinst der Maestro Andrea Pirlo seine Lehrlingsjahre verbrachte, macht das Modell Parma gerade Schule. Die maroden Großklubs wie Inter Mailand oder den AS Rom hat man Investoren aus Indonesien und den USA überlassen, während Silvio Berlusconi noch verzweifelt versucht, seinen AC Mailand den Chinesen aufzuschwatzen. In der Provinz aber wartet man nicht mehr auf neue Mäzene, da kaufen sich die Italiener in kleinen Scheinen ihren Fußball zurück. Forza Italia ist am Ende. Jetzt heißt es: Avanti Dilettanti!

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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