Kommentar:Verfrühtes Fieber

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Sport und Politik befällt wieder die Lust, die Spiele in Deutschland auszutragen. Aber zuvor müsste endlich das "Nein" bei den Referenden aufgearbeitet werden.

Von Johannes Aumüller

Auch der Innenminister ist vor einem naheliegenden Konjunktiv nicht gefeit. Da ergeht es ihm wie vielen anderen aus der deutschen Delegation. "Es ging mir auch durch den Kopf: Wie gerne wäre ich jetzt Mitgastgeber von Winterspielen in München", sagte Thomas de Maizière bei seinem Besuch in Pyeongchang. Nicht zuletzt ob der oft so mauen Stimmung malt sich mancher gerade aus, wie schön es sein könnte, in diesen Tagen in Garmisch Skirennen zu absolvieren, am Königssee zu rodeln und auf dem Marienhof ein paar nette Medaillen-Zeremonien zu erleben.

Vor sieben Jahren verlor München gegen Pyeongchang die Abstimmung des Internationalen Olympischen Komitees um die Winterspiele 2018. Es war eine krachende Niederlage, weil bei den Herren der Ringe längst alles für den Rivalen aus Südkorea bereitet war. Danach gab es in Deutschland noch zwei weitere missglückte Versuche, die schon die Bürger stoppten: die Münchner Bewerbung für die Winterspiele 2022 ebenso wie die Hamburger für die Sommerspiele 2024.

Inzwischen befällt manche Vertreter aus Sport und Politik schon wieder das Olympia-Austragungs-Fieber. An Rhein und Ruhr formiert sich seit Langem eine Initiative. Altkanzler Gerhard Schröder und einige Berlin-Lobbyisten bringen nun die Bundeshauptstadt ins Gespräch. Bisher sind es nur vereinzelte Stimmen. Noch-Innenminister de Maizière sagt, er halte die Debatte für "verfrüht"; auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hält sich eher zurück. Es soll lieber mittelfristig eine "nationale Strategie" für Großveranstaltungen entwickelt werden.

Da für die Winterspiele 2026 sicher keine Kandidatur erfolgt und die Sommerspiele 2028 schon vergeben sind (Los Angeles), ist das Thema nicht zwingend drängend. Aber in jedem Fall wird es darauf ankommen, dass Sport und Politik endlich ehrlich die Niederlagen bei den Referenden aufarbeiten - und Konsequenzen ziehen. Die Liste mit Kritik an Olympia ist lang, von den horrenden Kosten bis zu den Dopingskandalen. Aber vor allem ist das Vertrauen der Bürger in die Sportpolitik massiv erschüttert, insbesondere in die internationale. Beim IOC ist trotz vieler Beteuerungen nichts besser geworden. Aber auch national sieht es mau aus: Laut einer Umfrage der Sporthochschule Köln glauben nur 27 Prozent der Bürger an die Integrität deutscher Funktionäre. Es müsste sich also sehr viel verändern, bevor eine Olympia-Bewerbung überhaupt mal wieder ein Referendum übersteht - unabhängig davon, wie danach beim IOC die sportpolitischen Chancen wären.

Im Übrigen gehört es in einem "Wären-die-Spiele-gerade-in-München"-Szenario zur Wahrheit, dass es dabei nicht nur mutmaßlich vollere Tribünen bei Ski- und Biathlon-Rennen geben würde, sondern sicher auch manche Debatte über die nachteiligen Aspekte der Veranstaltung. Das Münchner Konzept mag besser gewesen sein als das von Pyeongchang. Doch so unfassbar toll und ökologisch und nachhaltig, wie heute alle tun, war es auch wieder nicht. Und die unsäglichen Vorgaben des IOC machen Ausrichtern auf der ganzen Welt zu schaffen.

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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