Kommentar:Unter Seebären

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Historisches zu Land und zu See: Der Deutsche Segler-Verband und das Dachgremium DOSB werden jetzt von Frauen geführt. Das sind Entscheidungen mit Signalwirkung.

Von Barbara Klimke

Seekarten und Wetterdaten. Viel mehr Navigationshilfen hatte Lina Rixgens nicht, als sie im November in einem 6,5 Meter kleinen Boot zur Regatta über den Ozean aufbrach. 18 Tage und 3400 Seemeilen später, nach Begegnungen mit fliegenden Fischen und maximal 20 Minuten Schlaf am Stück, ist sie tatsächlich in Martinique gelandet. Als Frau, die Segelgeschichte schrieb: Lina Rixgens, 23, Medizinstudentin aus Köln, ist die erste Deutsche, die es mutterseelenallein über den Atlantik schaffte.

Wenn eine Einhandseglerin in einer Nussschale über die Weltmeere schippert, sollte es vielleicht nicht überraschen, dass auch im Deutschen Segler-Verband eine Frau an der Pinne steht. In dieser Woche wurde Mona Küppers, 63, zur Präsidentin gekürt. Diese Nachricht sorgte für einen fast noch höheren Wellengang als Rixgens' Meeresabenteuer; und das lag an der vermeintlich epochalen Dimension dieser Wahl. Denn die Segler wiesen stolz darauf hin, dass sie erstmals in ihrer 129-jährigen Verbandsgeschichte nun so weit sind, ihre Geschicke in die Hände einer Frau zu legen. In Wahrheit sind sie ziemlich spät dran. Frauen haben längst ganz andere Kommandobrücken übernommen, nicht nur zur See, auch in der Politik. In England erinnern sogar die härtesten Seebären gern daran, dass es schon vor 429 Jahren eine Frau war, Elizabeth I., die den Skipper spielte und sich die spanische Armada vornahm.

Von einer Exotin im Männergremium kann im Falle der neuen Verbandschefin somit nicht die Rede sein. Mona Küppers ist erstens vom Fach als Fahrtenseglerin und Schiffsführerin; zweitens übernahm sie schon im April das Präsidentenamt kommissarisch von ihrem Vorgänger. Außerdem sitzt sie seit Juni 2016 dem Deutschen Frauenrat vor und weiß, wie man unterschiedliche Interessen bündelt und einen großen Laden führt. Das einzig Irritierende an der Wahl ist, wie wenige Kandidatinnen dieses Kalibers sich in den Präsidien durchsetzen.

Die Wahl der neuen DOSB-Vorstandschefin ist ein Signal, das nach unten wirkt

Nur rund zehn Prozent aller 99 Verbände im organisierten deutschen Sport haben einer Frau das Steuer übergeben - Landessportbünde inklusive. Von den wichtigen Föderationen in Deutschland leisten sich Schwimmer, Eisschnellläufer, Segler, Tänzer und Fechter eine Präsidentin. Das ist noch kein Auftreten in Mannschaftsstärke. Aber ein bisschen mehr als in den Dax-Vorständen der Wirtschaft, dem anderen großen Männerklüngel, wenn auch nur knapp.

Spätestens hier gelangt man zu der Feststellung, dass es ein richtungsweisender Beschluss im Deutschen Olympischen Sportbund war, den Vorstandsvorsitz der Dachorganisation an eine Frau zu geben. Veronika Rücker, 47, wird den Delegierten an diesem Wochenende in Koblenz als designierte hauptamtliche Chefin vorgestellt; einem breiten Publikum war sie außerhalb der Tennisplätze einer Regionalliga-Mannschaft, für die sie spielt, bisher kaum bekannt. Die Sportwissenschaftlerin ist seit Jahren für die Führungsakademie des DOSB tätig, zuletzt als deren Direktorin. Ihr Amtsantritt wird von Mutmaßungen begleitet, dass es der neuen Vorsitzenden womöglich an Machtinstinkt fehlt; dass sie auch deshalb für das Amt auserkoren wurde, damit sie das Powerplay im Präsidium nicht stört. Aber sie hat es nun selbst in der Hand, die Strukturen zu durchbrechen, aus denen sie hervorgegangen ist.

Zunächst lässt sich folgendes zusammenfassen: Die Hochsee-Abenteurerin Lina Rixgens hat seit dieser Woche eine neue Segel-Chefin im Verband; und für die Segel-Chefin gibt es ebenfalls eine neue Chefin im Sport. Das sind die Signale, die nach unten wirken: auf Tennisplätzen, in Turnhallen. Und in jede Jolle.

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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