Kommentar:Stoff aus Manchester

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Was steckte in dem mysteriösen Paket, das 2011 ans britische Radsport-Team Sky geliefert wurde? Eine Anhörung im Parlament legt nahe, dass der Rennstall gegen jene Prinzipien verstieß, die er jahrelang predigte.

Von Johannes Knuth

Am Mittwoch gehörten Team Sky mal wieder die Schlagzeilen der britischen Zeitungen, in allen Farben und Geschmacksrichtungen. Diesmal allerdings mit bislang unerreichter Schärfe. Die Glaubwürdigkeit der einstigen britischen Vorzeigeequipe, da waren sich die Beobachter einig, hänge in Fetzen, "in Tatters".

Anlass war erneut ein Vorgang, den die Daily Mail im vergangenen Herbst enthüllte. Ein Mitarbeiter des britischen Radsportverbands hatte demnach im Juni 2011 ein Päckchen in Manchester abgeholt, am Sitz des Verbands, der mit Team Sky verwoben ist. Der Bote flog nach Genf, fuhr zwei Stunden per Auto nach La Toussuire, Frankreich, wo Team Sky an der Dauphiné Libéré mitwirkte. Das Paket war offenbar für Bradley Wiggins bestimmt, der im Jahr darauf die Tour de France gewinnen sollte, als erster Brite. Und wofür der ganze Aufwand? Tja.

Teamchef David Brailsford hatte zuletzt behauptet, im Paket habe der Schleimlöser Fluimucil gesteckt. Wiggins, mittlerweile im Ruhestand, bestätigte, er sei, als das Paket eintraf, mit Fluimucil behandelt worden, von Teamarzt Richard Freeman. Mehr wisse er nicht. Blöd nur: Es gibt bis heute keinen Beleg, dass es sich um das Mittel handelte, wie die britische Anti-Doping-Chefin Nicole Sapstead jetzt im Sportausschuss des britischen Parlaments berichtete. Kein Nachweis, dass der Radsportverband das Mittel erstand. Kein Eintrag in einer Datenbank, wie sonst üblich, womit der Teamarzt Dienstvorschriften verletzt haben könnte, sagte Sapstead, die den Fall zuletzt untersuchte. Sie warf Sky "Verschleierung" vor. Und warum hatte das Team einen Boten durch Europa reisen lassen wegen eines Medikaments, das vor Ort in jeder Apotheke erhältlich war, rezeptfrei? Freeman gab im Parlament keine Auskunft. Er sei krank, sagte er.

Die jüngsten Auskünfte sind ein schwerer Hieb für die Equipe, die vier der vergangenen fünf Sieger der Tour de France stellte. Sie sind umso schädlicher, wenn man sie mit den Fensterreden aus den vergangenen Jahre abgleicht: Man arbeite transparent, wissenschaftlich, man ehre kleinste Details, sei sauber, klar - das sei das Fundament, auf dem man die Mannschaft aufgebaut habe, hatte Sky gepredigt. Die Zweifel daran stapelten sich zuletzt, im vergangenen Herbst etwa. Da enthüllte die Hackergruppe "Fancy Bears", dass Wiggins drei Mal ein starkes Kortikosteroid zu sich nahm, per Ausnahmegenehmigung. Obwohl Wiggins derartigen Konsum stets abgestritten hatte. Jetzt also dieses mysteriöse Paket, bei dem sich das Team, das sich für jedes Detail rühmte, plötzlich ins Nebulöse flüchtet. Und damit die Eckpfeiler zerbröselt, die einst das Team und auch ein wenig die neue, vermeintlich saubere Radsportgeneration tragen sollten: Transparenz und Glaubwürdigkeit.

© SZ vom 03.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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