Kommentar:Spektakel gesucht

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Die Formel 1 macht auch 2017 einen Bogen um Deutschland. Das liegt vor allem daran, dass in Hockenheim und am Nürburgring ein Alleinstellungsmerkmal fehlt, wie es andere Strecken in der Welt haben.

Von Gunnar Jans

Das Seifenkistenrennen auf der Auer Maidult ist eine traditionsreiche Veranstaltung mit ganz eigenem Charme: Nachwuchspiloten rasen mit selbstgebauten Flitzern den 300 Meter langen Gebsattelberg zwischen den Münchner Stadtteilen Haidhausen und Au herunter. Es ist ein beliebter Termin im Rahmenprogramm der saisonalen Volksfestreihe und zugleich der Höhepunkt im Rennkalender des Deutschen Seifenkisten Derby e.V.

Was aber ist das Alleinstellungsmerkmal eines Großen Preises von Deutschland in der Formel 1?

Vermutlich gibt es keines mehr. Zu dieser Erkenntnis ist Bernie Ecclestone gekommen. Die Formel 1 wird, wie schon in diesem Jahr, auch 2017 einen Bogen um Deutschland machen, nachdem der Hockenheimring aus finanziellen Gründen nur alle zwei Jahre (2016 und 2018) am Start ist. Der Nürburgring sei aus dem Rennen, hat Chefvermarkter Eccle-stone nun erklärt: "Ich glaube nicht, dass Deutschland ein großer Markt ist."

Das mag zu Michael Schumachers Zeiten anders gewesen sein, als dessen rot bekappte Anhängerschaft für einen derartigen Formel-1-Boom sorgte, dass sich auch Mercedes gezwungen sah, auf höchstem Niveau um WM-Titel zu konkurrieren, um so den Autoverkauf anzukurbeln. Win on Sunday, sell on Monday allerdings ist eine globale Strategie eines weltweit operierenden Konzerns.

Das Fahrgeschäft Motorsport hat sich weiterentwickelt. Die Grand-Prix-Standorte konkurrieren miteinander - auch über die Höhe des Antrittsgeldes, das sie bezahlen. Und das hängt vom Spektakel ab, das sie bieten können: Die Veranstalter in Melbourne inszenieren ihr Rennen als ein Festival im Stadtpark, in Bahrain wird in der Nacht gefahren, in Singapur unter Flutlicht in der Stadt, in Abu Dhabi rasen die Autos in die Dämmerung hinein, in Austin/Texas müssen sie auf dem Weg in die erste Kurve einen an die Eiger Nordwand erinnernden Anstieg bewältigen, in Spa-Francorchamps geht es hoch und runter wie auf einer Achterbahn. Das sind Alleinstellungsmerkmale, die prägen. Unique selling proposition nennt es der Verkaufspsychologe.

Die deutschen Formel-1-Ausrichter haben es vernachlässigt, solche zu entwickeln. Ein leeres Stadion - wie im Motodrom von Hockenheim - gibt ein trauriges Bild ab. Der Nürburgring hatte seine Historie, gleich neben dem Grand-Prix-Kurs gibt es die traditionsreiche Nordschleife, früher als "Grüne Hölle" berüchtigt. Um die aber macht die Formel 1 schon lange einen Bogen. Und eine neue Geschichte haben sie im Autobauerland bisher nicht erzählen können.

© SZ vom 16.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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