Kommentar:Passionsspiele am Niederrhein

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Seit 2011 ist Gladbach vier Mal per Elfmeterschießen aus dem DFB-Pokal ausgeschieden. Die Leiden nehmen kein Ende.

Von ULRICH HARTMANN

Der bislang letzte Mönchengladbacher Glücksbringer in einem Elfmeterschießen hieß Tausendpfund, Florian. Er selbst war danach allerdings sehr unglücklich. Der damalige Heidenheimer hat, anders als sein Name vermuten ließ, am 25. Oktober 2011 per Elfmeter nicht kraftvoll das Netz ausgebeult, sondern seinen Schuss vom Gladbacher Torwart entschärfen lassen. Das ist bei einem finalen Strafstoß seitdem keinem Gladbacher Gegner mehr widerfahren. Seit jenem Zweitrundensieg sind die Borussen gegen Bayern München und den SV Darmstadt 98, gegen Arminia Bielefeld und nun gegen Eintracht Frankfurt vier Mal per Elfmeterschießen aus dem DFB-Pokal ausgeschieden - in der Vereinshistorie sogar bereits elf Mal. Das schmerze, klagt Sportdirektor Max Eberl. Er ist amtierender Intendant dieser niederrheinischen Passionsspiele. Statt Jesu Leidensweg wird hier jedes Mal ein bitteres Scheitern auf dem Rasen inszeniert.

"Der liebe Gott wird gerecht sein", flüstert Manager Max Eberl beschwörend

Eberls Gladbacher haben in den vergangenen fünf Jahren ein Champions-League-Qualifikations-Aus gegen Kiew, zwei Europa-League-Zwischenrunden-Abschiede gegen Sevilla und Lazio Rom und in dieser Saison das Europa-League-Aus gegen Schalke (nach zwei Remis) sowie dieses verlorene Elfmeterschießen gegen Frankfurt erlitten. Als er Dienstagnacht im Kabinengang traurig zur Presse sprach und hinter ihm laut grölend die Frankfurter vorbeizogen, hielt Eberl grimmig inne und flüsterte beschwörend und so leise, dass nur die sensiblen Aufnahmegeräte der Reporter darüber Zeugnis ablegen konnten: "Der liebe Gott wird gerecht sein."

Dabei wissen sie in Gladbach sehr gut, dass sie sich selbst helfen müssen, um Hilfe von oben zu erfahren. Die Borussia wird im Sommer in Andreas Christensen (Chelsea) und Mahmoud Dahoud (Dortmund) wieder mindestens zwei ihrer besten Spieler verlieren und am Ende eines sechsjährigen Aufschwungs wieder ziemlich bei null beginnen. Die Chancen auf eine neuerliche Europapokal-Teilnahme sind dabei derzeit ebenso mau wie die davon abhängigen Chancen zur Akquise begnadeter Zugänge.

Dass der einst als Fohlenmannschaft bekannt gewordenen Talentschmiede immer mehr immer jüngere Spieler allein nicht helfen, zeigte sich exemplarisch in brenzligen K.-o.-Situationen. Die nervliche Belastung wäre angesichts solider Bundesliga-Platzierungen nicht so dramatisch, würde Eberl nicht den Gewinn von "etwas Blechernem" herbeisehnen. Letztmals hielten im Frühsommer 1995 Spieler wie Stefan Effenberg, Martin Dahlin und Heiko Herrlich einen Pokal in die Berliner Luft. Im Schmerz über die verpasste Chance zur Wiederholung wird Max Eberl im Sommer einen Kader zusammenstellen, der schnellstmöglich ans Ende des Gladbacher Leidensweges gelangen soll.

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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