Kommentar:Packend und couragiert

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Seit Jahren kämpfen die Frauen darum, als gleichberechtigter Teil der Tennis-Tour akzeptiert zu werden. Bei den Australian Open sammeln sie viele Pluspunkte - sowohl spielerisch als auch politisch.

Von Gerald Kleffmann

Die beeindruckendsten Geschichten der Australian Open 2018? Die 15-jährige Marta Kostjuk aus der Ukraine begeisterte in der ersten Woche. Die packendste Partie bot Simona Halep gegen Lauren Davis, 15:13 in Satz drei. Als wäre das nicht spannend genug gewesen, verwickelte die Rumänin Angelique Kerber im Halbfinale und Caroline Wozniacki im Endspiel in Krimis. "Zwei tolle Botschafterinnen des Tennis" nannte Boris Becker die Finalistinnen.

Ja, die Frauen boten wunderbare Geschichten. Eigentlich sollte man sie nicht gegen die der Männer aufrechnen. Nur: Nach wie vor gibt es ja unterschwellige Tendenzen, das Frauentennis nicht mit dem Männertennis gleichzustellen. Die Argumente: Man(n) leiste mehr. Allein schon, weil man drei statt zwei Gewinnsätze bei Grand Slams spiele. Man verkaufe mehr Tickets. Es war wirklich ein zäher Prozess, bis die vier Grand Slams gleiche Preisgelder abnickten. Auf der normalen Tour, das ist ein offenes Geheimnis, mögen manche männliche Profis gemeinsame Turniere mit Frauen nicht. Bei gleichem Preisgeld fühlten sie sich unterbezahlt. Bezeichnend in Melbourne: Diskutiert wurde die Gründung einer Spielerunion, um mehr Preisgeld von den Gewinnen zu erhalten, die die Grand Slams kassieren. Die Frauen? Wurden nicht einbezogen. Als beträfe sie der Kampf nicht.

Die Frauen wagen sich auch in Melbourne an die heiklen politischen Themen

Auch abseits der Matches haben sich Frauen allen Respekt verdient. Zum Turnierstart wurde die Amerikanerin Billie Jean King, frühere Nummer eins und Kämpferin für Gleichberechtigung, als "Frau des Jahres der Australian Open" ausgezeichnet. Wie couragiert die 74-Jährige ist, bewies sie erneut. In Gegenwart von Turnierchef Craig Tiley forderte sie eine Umbenennung der Margaret Court Arena. Ihre Ex-Kontrahentin, die 24-malige Grand-Slam-Siegerin, hatte sich oft homophob und diskriminierend geäußert. Kein Mann hatte so klar gegen sie Stellung bezogen. Auch im Fall des US-Profis Tennys Sandgren, der als Nobody ins Viertelfinale stürmte, mit Sympathiebekundungen für rechtsradikale Ansichten im Netz aber verstörte, setzten Frauen Zeichen. Martina Navratilova übte Kritik an Sandgren, auch die abwesende Serena Williams. Die 23-malige Grand-Slam-Siegerin schrieb, sie könne es ihrer vier Monate alten Tochter gegenüber nicht verantworten, würde diese erfahren, die Mutter hätte geschwiegen.

Am Freitag schließlich wurde eine weitere Person geehrt - abermals eine Frau. Evonne Goolagong Cawley, 66, erhielt den "Order of Australia". Die Aborigine, eine der erfolgreichsten Spielerinnen, setzt sich für Einheimische ein. Johanna Konta, früh ausgeschiedene Britin, twitterte gerade allgemein: "Ich bin so unglaublich stolz, Teil des Frauentennis in diesen Tagen und dieser Zeit zu sein." Ihr Urteil ist absolut nachvollziehbar.

© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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