Kommentar:Norwegen vor Norwegen

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Angesichts der skandinavischen Dominanz droht das Interesse an der Tour de Ski der Langläufer verloren zu gehen.

Von Joachim Mölter

Man hat die letzte Etappe der Tour de Ski gar nicht abwarten müssen, um eine Bilanz zu ziehen. Nach dem Schlussanstieg auf die Alpe Cermis in Val di Fiemme/Italien sah das Klassement fast genauso so aus wie vorher: Sieben Norweger unter den ersten Zehn bei den Männern, mit Martin Johnsrud Sundby und Finn Haagen Krogh an der Spitze; bei den Frauen führten die Norwegerinnen Therese Johaug, Ingvild Flugstad Östberg und Heidi Weng das Feld an, dahinter folgten eine Schwedin, vier Finninnen und eine weitere Norwegerin. Erst auf Platz zehn kam dann die beste Nicht-Skandinavierin, Jessica Diggins aus den USA.

Diese Reihung entspricht im Übrigen dem aktuellen Weltcup-Klassement: Da sind sechs Norweger auf den ersten sieben Plätzen bei den Männern und drei Norwegerinnen vor zwei Schwedinnen und zwei Finninnen bei den Frauen.

Die Langläufer haben die Tour de Ski vor zehn Jahren eingeführt als eine Art Gegengewicht zur Vierschanzentournee der Skispringer. Mit einer attraktiven Wettkampfserie wollten sie um die Gunst von Zuschauern und Sponsoren buhlen, gerade in Wintern wie diesem, ohne Olympia und ohne WM. Nach einem Jahrzehnt Tour de Ski kann man festhalten: Das Gegengewicht hat sich nach Norden verschoben, das Etappenrennen ist inzwischen eine offene skandinavische Meisterschaft, die halt in Mitteleuropa ausgetragen wird. Auch in diesem Winter lagen die Etappen wieder in der Schweiz, Deutschland und Italien.

Es jubelt mal wieder Norwegen: Ingvild Flugstad Oesteberg, Siegerin Therese Johaug und Heidi Weng (v. l.) nach der Schlussetappe. (Foto: Claudio Onorati/AP)

Nur in den ersten Jahren hat die Tour auch mal in Tschechien Station gemacht, das war vor allem der dortigen Größe Lukas Bauer geschuldet, der den Wettbewerb sogar einmal gewann, 2008 war das. In ihren Anfangsjahren lebte die Tour davon, dass die Siegkandidaten aus verschiedenen Ländern kamen, sogar aus Deutschland: Tobias Angerer gewann die Premiere 2007, Axel Teichmann wurde 2009 Dritter. Angesichts der skandinavischen Dominanz droht das Interesse inzwischen aber verloren zu gehen. Die Vierschanzentournee der Skispringer zehrt ja auch davon, dass die gastgebenden Deutschen und Österreicher stets vorne dabei sind. Internationale Aufmerksamkeit, wie sie die Tour de Ski generieren wollte und will, gründet erst mal auf nationalem, regionalem, lokalem Interesse an einem Sport. Ohne Lokal-Held kein Global-Geld.

Für die Tour de Ski ergeben sich daraus zwei Möglichkeiten: Entweder man verlegt sie dorthin, wo ihre Hauptdarsteller herkommen, also nach Norwegen, Schweden, Finnland. Oder der Rest der Welt versucht, aufzuschließen zu den führenden Nationen. Das aber könnte schwierig werden für Mitteleuropa: Hier gibt es ja zu allem Übel immer weniger Schnee, auf dem man trainieren kann.

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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