Kommentar:Nicht willkommen?

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Manchmal bekommt man die Quittung, wenn man das Richtige tut, aber mit der falschen Einstellung - das gilt für Aktionen genauso wie für Torschützen. Was alles am fünften Spieltag nicht gewünscht war.

Von Claudio Catuogno

Das wäre natürlich eine besondere Pointe gewesen: Wenn dieser Spieltag, an dem es der Hashtag #BILDnotwelcome auf bemerkenswert viele Banner in den Fankurven geschafft hat, plötzlich unter einem ganz ähnlichen Motto in die Geschichte der Bundesliga eingegangen wäre: #GOALSnotwelcome. So ging der Spieltag ja los: mit nichts. Mit Warten. Warten auf Tore.

Goals not welcome?

Von den 110 Spielern, die in den fünf Samstagspartien in der ersten Halbzeit mitwirkten, war Arturo Vidal vom FC Bayern der einzige, der vor dem Pausenpfiff einen Ball über die Linie brachte, zur 1:0-Führung in Darmstadt. In allen anderen Stadien: Nullnummern, als habe man sich da irgendwie abgesprochen. Und dann dauerte es noch mal bis zur 62. Minute, ehe in einem der fünf Stadien das nächste Tor fiel, wieder in Darmstadt. Sebastian Rode, 2:0.

Manchmal kriegt man die Quittung, wenn man das Richtige will, aber es mit Hintergedanken tut. Das ist die Geschichte hinter dem Slogan #BILDnotwelcome. Dass alle Teams der ersten und zweiten Bundesliga in dieser Woche mit dem Logo der von Bild initiierten Flüchtlings-Initiative "Wir helfen" auflaufen sollten, hat unter Fußballfans die Debatte befeuert, ob es nicht jene Zeitung ist, die mit ihrer Berichterstattung Vorurteile befördert und Stereotype festigt. "BILD not welcome", schrieben also viele Fans auf ihre Plakate, während es am Ende zehn Zweitligisten waren, aber keine Erstligisten, die ihre Solidarität mit Flüchtlingen lieber auf andere Weise dokumentierten als mit einem Werbelogo am Ärmel. Sogar die ARD-"Tagesthemen" haben über diesen Konflikt einen eigenen Beitrag gemacht.

Manchmal kriegt man die Quittung, wenn man das Richtige tut, aber mit der falschen Einstellung - das ist die Geschichte von Bas Dost. Zwei Treffer hat der Holländer am Samstag für seinen VfL Wolfsburg gegen Hertha BSC erzielt. Denn natürlich sind am Ende doch noch ein paar Tore gefallen an diesem 5. Spieltag, drei in Darmstadt, zwei in Wolfsburg, eines in Köln, und - wirklich ganz, ganz, ganz am Ende - eines in Bremen. Wenn der Ball über die Linie rollt, kullert, fliegt, kann das die unterschiedlichsten Emotionen frei setzen. Und am Wolfsburger Trainer Dieter Hecking hat man sehr schön sehen können, dass es auch Anlass für einen Wutausbruch sein kann, wenn diese Tore der eigenen Mannschaft glücken. Jedenfalls nahm Hecking die zwei Treffer des eingewechselten Stürmers Dost zum Anlass, ihm aber mal so richtig und in aller Öffentlichkeit die Meinung zu geigen.

#DOSTnotwelcome?

"Egoismus", "brauchen wir nicht", "rumgelaufen, als hätte man ihm das Spielzeug weggenommen". Es ging da um Dosts offenbar unterirdische Trainingsleistungen unter der Woche, nach seiner Auswechslung am Dienstag in der Champions League. "Wenn er meint, dass das der richtige Weg ist, dann ist er hier in Wolfsburg falsch", sagte Hecking. Hui, das muss man einem zweifachen Torschützen auch erst mal um die Ohren hauen.

Der Gladbacher Trainer Lucien Favre wäre da gerade nicht so wählerisch, er könnte einen wie Bas Dost gut gebrauchen. Einen, der ein grundsolides Aufbauspiel, wie es Favres Gladbacher am Samstag auch in Köln wieder aufzogen, die nötige Zuspitzung verpasst. Sprich: ein Tor! Ein solches erzielte im rheinischen Derby aber nur der Kölner Anthony Modeste; und was dieses bei den Gladbachern auslöste, war nach dem Abpfiff für jedermann greifbar: tiefste Ratlosigkeit.

Mehrere Gladbacher Spieler lagen regungslos auf dem Kölner Rasen - es waren Bilder, wie man sie sonst nur vom letzten Spieltag kennt. Wenn eine Mannschaft gerade abgestiegen ist. Oder von großen Finals: Da liegen die Geschlagenen hinterher auch oft wie versteinert auf dem Gras und können es nicht glauben, dass ihnen all ihre Träume entglitten sind.

Irgendwie den Ball ins Tor kriegen, das ist die dringlichste Aufgabe, die der Tüftler Favre nun lösen muss. Das Gute ist wohl, dass er bei diesem Unterfangen den bedächtigen Manager Max Eberl an seiner Seite hat. Als Favre 2009 mit Hertha BSC fast Meister wurde und anschließend einen ebenso bodenlosen Saisonstart hinlegte wie nun am Niederrhein, hatte er den hilflosen Neu-Manager Michael Preetz an seiner Seite, wurde entlassen - und die Hertha stieg mit Friedhelm Funkel ab.

Warum? Weil die Berliner unter dem berüchtigten Betonmischer Funkel keine Tore mehr schossen. Tore, am Ende geht es eben immer nur um sie.

Und deshalb muss man jetzt noch kurz auf die Ingolstädter zu sprechen kommen, sie haben ein besonders bemerkenswertes Verhältnis zu den Toren. Drei geschossen und vier kassiert - das ist eine Bilanz, für die sich ein Aufsteiger nach fünf Spieltagen nicht schämen muss. Allerdings haben die Ingolstädter mit dieser Bilanz drei Partien - jeweils 1:0, jeweils auswärts - gewonnen, ein Mal 0:0 gespielt, und nur ein Spiel verloren, 0:4 gegen Borussia Dortmund. Und deshalb stehen sie nun mit einer Minus-Bilanz auf einem Plus-Rang: Tabellenplatz fünf.

Sie verdanken das der erstaunlichen Abgeklärtheit, die ihnen der Trainer Ralph Hasenhüttl beigebracht hat, aber auch den Launen, die sich der Fußball einfach herausnimmt. Dass die Ingolstädter in Bremen nun in der dritten Minute der Nachspielzeit noch einen Elfmeter serviert bekamen - es ist die letzte Laune dieses Spieltags gewesen.

#LANGEWEILEnotwelcome, das bleibt eben die einzige Konstante in diesem flüchtigen Geschäft.

© SZ vom 20.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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