Kommentar:Mannschaft sucht Stadion

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Die Deutsche Fußball Liga hat dem 1911 eingeweihten Holstein-Stadion in Kiel die Genehmigung für die erste Liga verweigert. Aufstiegsaspirant Kiel würde also auf diese Weise für seine seriöse Finanzpolitik bestraft.

Von Jörg Marwedel

Der KSV Holstein Kiel von 1900 hat eine große Vergangenheit. 1912 war man deutscher Meister, 1930 noch einmal Zweiter. Doch seit dem Abstieg aus der zweiten Liga 1981 stürzte der Klub hinunter bis in Liga vier. Erst 2013 ging es wieder aufwärts. Und nun? Könnte Kiel als Zweitliga-Dritter eine Geschichte schreiben, wie sie die Leute lieben. Wenn der Klub aus der Landeshauptstadt die Relegationsspiele gewinnt, wäre er der erste aus dem Bundesland Schleswig-Holstein, der in die erste Bundesliga aufsteigt. Ob Holstein die Spiele daheim austragen darf, ist allerdings noch offen.

Die Deutsche Fußball Liga hat dem 1911 eingeweihten Holstein-Stadion, eine der historischen Spielstätten in Deutschland, die Genehmigung für die erste Liga verweigert. Hauptgrund: mit 12 000 Zuschauern erfüllt das Stadion jene Verordnung nicht, nach der es über mindestens 15 000 Plätze - davon 8000 Sitzplätze - verfügen müsste. Die Kieler, die über keinen Investor verfügen, beginnen erst nach dieser Saison damit, die erste von vier neuen Tribünen zu bauen. Sie ist erst 2019 fertig. Holstein würde also für seine seriöse Finanzpolitik bestraft.

Dabei gibt es genügend Negativbeispiele für das Gegenteil. Etwa Alemannia Aachen, das zwar über eine wunderschöne neue Tivoli-Arena verfügt, sich aber so übernahm, dass es 2015 Insolvenz anmelden musste. Die DFL befürchtet offenbar, dass das Hyper-Premiumprodukt Bundesliga Schaden nehmen könnte, wenn etwa statt eines Hamburger SV (dessen Stadion 57 000 Zuschauer fasst) eine Klitsche aus alten Zeiten zur Bühne dieses modernen Schauspiels wird. Schon in Liga zwei wurde das altertümliche Holstein-Stadion nur als Ausnahme gebilligt.

Dabei haben die Kieler zugesagt, die Umkleidekabinen, den Pressebereich und die Sicherheitswege auf den geforderten Stand zu bringen. Das Flutlicht entspricht schon jetzt der Norm. Und Geschäftsführer Wolfgang Schwenke wies darauf hin, dass die mangelnde Kapazität allein seinem Verein schade, nicht aber der DFL und den anderen Vereinen (außer, dass diese nicht so viele Fans mitbringen können). Zudem ist das Ticketing längst nicht mehr die größte Einnahmequelle im Fußball. Mit Fernsehen und Werbung wird erheblich mehr verdient.

Sollte der von den Kielern angerufene zuständige Lizenzierungsausschuss das DFL-Ergebnis vom Dienstag bestätigen, wird es schwer, eine gute Ersatzlösung zu finden. Der HSV hat schon abgewunken, in seinem Stadion werden die Kieler nicht spielen. Das wäre wohl eine zu große Schmach: Wenn der kleine Klub aus der Nachbarschaft im Stadion des HSV aufläuft, der seinerseits eine Klasse tiefer spielt. Die andere Hamburger Alternative, das berühmte Millerntor des Zweitligisten FC St. Pauli, wäre womöglich auch keine gute Idee. Viele Holstein-Fans verachten den Klub. Weitere Möglichkeiten wären die Lübecker Lohmühle (immerhin im eigenen Bundesland) oder das Rostocker Ostseestadion. Das ist aber schon mehr als 200 Kilometer entfernt.

Die beste Idee wäre, wenn die DFL ihre kaufmännische Arroganz mal kurz vergisst und mit einer weiteren Ausnahmegenehmigung einem möglichen Fußball-Wunder nicht mehr im Wege steht.

© SZ vom 11.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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