Kommentar:Liebe futsch

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Gerade noch als "Skripniker" und "Victory" gefeiert, spricht Bremen-Coach Skripnik nun schon von Rauswurf. Die Liebe wurde schnell entzaubert.

Von Ralf Wiegand

War das nicht wunderschön, als Viktor Skripnik Trainer in Bremen wurde? Lokale Rap-Größen besangen ihn sogleich als den Skripniker, andere verpassten ihm nach ersten Erfolgen den Triumphnamen Victory, und der Ukrainer selbst schwärmte, es könne weder eine größere Ehre noch einen größeren Spaß geben, als Trainer von Werder zu sein - dem damaligen Liga-Letzten. Die Mannschaft indes galt als derart überfordert, dass TV-Experte Mehmet Scholl die logischste und schönste aller Erklärungen für das Engagement fand: Skripnik und sein Co Torsten Frings täten "Dienst an ihrer Liebe".

Herrgott, muss im Fußball alles immer so schnell vorbei gehen? Nach dem halt auch wieder nur mit null Punkten entlohnten 0:1 gegen Bayern München ist alle Romantik futsch. Nach dem nächsten Spiel in Mainz (und vor dem übernächsten gegen Dortmund), raunte Skripnik, werde man womöglich "wieder hier sitzen, dann vielleicht schon ohne mich". Es war der inhaltliche Höhepunkt eines sonst auch für einen Skripniker eher wirren Vortrags, gehalten im Anschluss an die Pressekonferenz. Da war viel von "Arsch" die Rede ("Werder im Arsch", "Leck mich am Arsch"), variantenreich auch von "Scheiße", um auf sarkastische Weise die nach fünf Niederlagen in Serie zu Fragen neigenden Medien zu disziplinieren. Die, findet Skripnik, würden selbst dann, wenn der Trainer alles erkläre, etwas anderes schreiben. (Diese Ansicht gehört aber zur Erblast von Bremer Trainern, seit der Journalistenversteher Otto Rehhagel dort in Gestalt eines Trainergottes wirkte.)

Skripniks Fäkalfeuerwerk - geschenkt. Stress und Druck geschuldet. Aber "vielleicht ohne mich"? Werders Trainer, ein Jahr im Amt, hat die Leichtigkeit verloren - so wie sein junges Team den Schwung, so wie die Ankunft von Claudio Pizarro jeden Effekt, so wie der Sturm ohne die (teuer) verkauften di Santo und Selke den Wumms verloren hat. Es geht in der Bundesliga nicht nur mit guter Laune, Optimismus und Tradition, zu der Skripnik als Spieler selbst gehörte und die er gerne beschwört. Es geht um Qualität - und an der gibt es wieder Zweifel in Bremen. Weniger nach einer Niederlage gegen Bayern als nach solchen gegen den Letzten und beide Aufsteiger.

Skripnik ist klug genug, um zu wissen, dass die unterbesetzten Münchner Werder einfach nur haben leben lassen, so wie ein schlauer, aber müder Fuchs sogar ein dreibeiniges, mutterloses Kaninchenbaby laufen ließe, wenn es ihm zu mager wäre, um Energie zu verschwenden. "Welt nicht umgedreht", knirschte Skripnik nach dem Spiel. Es klang fast wie seine persönliche Bilanz als Werder-Trainer: ein bisschen traurig.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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